Im Streit um die geplante Krankenhausreform in Deutschland übt Niedersachsen scharfe Kritik an der Bundesregierung. Die Ampelkoalition in Berlin setze falsche Prioritäten, sagte der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Montag). „Leider hat das Bundesgesundheitsministerium das Pferd von hinten aufgezäumt und erst das Transparenzgesetz bearbeitet, anstatt die Krankenhausreform niederzuschreiben.“
Die Kritik richtet sich ausdrücklich auch an Philippis Parteikollegen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Die Reform müsse endlich wieder Fahrt aufnehmen, mahnte der Niedersachse. „Bisher ist mir noch kein Paragraf aus dem geplanten Gesetzentwurf zu Gesicht gekommen.“
„Wenn die Krankenhauslandschaft nicht schnell finanziell stabilisiert wird, erleben viele Klinken die Umsetzungsphase der Reform nicht mehr“, warnte Philippi. Er rügte zudem, dass der Bund seiner Verpflichtung bei den Betriebskosten nicht nachkomme. Vielen Kliniken stehe wegen Inflation, Energiepreisen und Tarifsteigerungen das Wasser bis zum Hals. Im Sinne der dualen Krankenhausfinanzierung seien hier der Bund beziehungsweise die Kassen gefordert.
Philippi betonte auch die Bedeutung der kleinen Kliniken und Gesundheitszentren auf dem Land. Ganz grundsätzlich müsse aber mehr ambulant behandelt werden.
Nach Umfragen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) erwarten die Krankenhäuser in Niedersachsen 2023 ein Defizit von landesweit 532 Millionen Euro. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies mehr als einer Verdoppelung. 2022 betrug das Defizit der Kliniken 217 Millionen Euro. Die Defizite der Krankenhäuser durch mangelhafte Betriebskostenfinanzierung summieren sich laut NKG in Niedersachsen bis Ende 2023 auf rund 750 Millionen Euro. 93 Prozent der Krankenhäuser geben an, 2023 kein positives Jahresergebnis zu erwarten.
In Niedersachsen hat die Landesregierung bereits im Juli zusätzliche Hilfen für Krankenhäuser in Höhe von drei Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahre beschlossen. Die NKG vertritt alle 164 Krankenhäuser in Niedersachsen.
Für den kommenden Mittwoch (20. September) haben die Kliniken zu einer Protestkundgebung unter dem Titel „Alarmstufe Rot: Krankenhäuser in Not!“ in Hannover aufgerufen. Die Einrichtungen und ihre Beschäftigten fordern die Bundesregierung auf, einen Inflationsausgleich und die tariflichen Lohnsteigerungen zu übernehmen. Zu der Kundgebung in Hannover auf dem Opernplatz erwarten die Organisatoren bis zu 3.000 Mitarbeitende von Krankenhäusern aus Niedersachsen und dem Land Bremen.