Pastor Sepehri muss früh aufstehen. Sein Tag beginnt um 4 Uhr morgens. Den Lebensunterhalt verdient er als Leihabeiter in einer Maschinenbaufirma. Nachmittags beginnt dann die Arbeit, der er sich von ganzem Herzen ehrenamtlich widmet: Er kümmert sich als Seelsorger um seine Gemeinde, hält abends Tauf- und Glaubenskurse und am Wochenende Gottesdienste und Glaubensseminare, lädt zu größeren Veranstaltungen ein und fährt zu Konferenzen im In- und Ausland.
Seine Ausbildung zum Prediger musste Mehrdat Sepehri kurz vor der Ordination abbrechen, weil es für ihn in Teheran gefährlich wurde. Vor 18 Jahren verließ er sein Heimatland und ist seit 15 Jahren in Paderborn für die persisch sprechenden Christen da.
Die iranische Gemeinde möchte keine freie Gemeinde sein. Sie sucht die Anbindung an die Evangelische Kirche von Westfalen. In der Praxis klappt das auch schon: In der Gemeinde von Pfarrer Christoph Keienburg in Paderborn, der auch Synodalbeauftragter für Flucht und Migration ist, hat sie im Lukas-Gemeindezentrum ein Zuhause gefunden.
Rund 40 Menschen halten sich im Kern zur Gemeinde; insgesamt sind es knapp 90. Da viele Flüchtlinge darunter sind, verändert sich die Zusammensetzung ständig. Sie müssen weite Wege zurücklegen, im Schnitt 20 Kilometer für die Anreise. Für die Monatskarte wenden sie einen erheblichen Teil des Taschengeldes auf.
Einige waren wie Pastor Sepehri schon im Iran seit Langem Christen. Wer wie er deswegen verfolgt wurde, grenzt sich stark gegen den Islam ab. 90 Prozent der Gemeindeglieder sind Konvertiten. Sie haben den christlichen Glauben meist erst in Deutschland kennengelernt, weil sie hier von Diakonie und Kirchengemeinden betreut werden.
Die meisten geflüchteten Muslime sind, anders als viele Deutsche, ganz selbstverständlich religiös und haben großes Interesse an Glaubensfragen. Sie wollen wissen, was die Menschen in ihrer neuen Heimat glauben. Fragt man, was sie am meisten überzeugt, hört man: die evangelische Freiheit und ein Gott der Liebe.
Felix Klemme, der als Pfarrer im Probedienst auch für die Geistliche Arbeit mit Flüchtlingen zuständig ist, zitiert einen jungen Vater: „Als ich die Geschichte vom ‚Verlorenen Sohn‘ hörte, spürte ich: Gott hegt für mich dieselben Gefühle wie ich für meine kleine Tochter.“ Eine solche Erfahrung hatte er mit dem Islam nie gemacht. „Wir missionieren nicht, indem wir abwerben“, sagt Klemme, „aber wir gehen offen und einladend auf alle Menschen zu und halten nicht mit dem zurück, was uns selber trägt.“
Klemme baut ein Netzwerk von Ehrenamtlichen und Flüchtlingen auf und arbeitet in der Fachkonferenz für Flucht und Migration an Fragen der Integration und Flüchtlingsarbeit in Kirchenkreis und Diakonie. Der Vermutung, Muslime wollten nur getauft werden, um eine Abschiebung zu verhindern oder ihr Asylverfahren zu beschleunigen, widerspricht Klemme: „Wir weisen klar darauf hin, dass das nicht funktioniert. Christ zu sein, macht das Leben in den Unterkünften eher schwieriger.“
Und es führt im Verfahren zu kaum zu beantwortenden Fragen oder Missverständnissen. Denn die Sachbearbeiter in den Behörden wissen oft selbst nicht gut über den christlichen Glauben Bescheid und muslimische Übersetzer sind überfordert, wenn sie etwa nach der Bedeutung von Pfingsten fragen sollen. Deshalb werden überall dringend Farsi sprechende christliche Übersetzer gesucht.
Wer allen Schwierigkeiten zum Trotz Christ wurde, ist oft Feuer und Flamme und nimmt auch zwei Stunden Fußweg vom Containerdorf zum Bus, eine halbe Stunde Busfahrt und noch einmal einen Fußweg zur Kirche in Kauf. „Kann man diesen Leuten die Ernsthaftigkeit absprechen?“, fragt Klemme. Er ist überzeugt: „Diese Menschen können das Gesicht unserer Kirche verändern, und das wird ihr gut tun.“ Denn: „Die ständige Reformation, nicht das Kleben an Tradition, ist schließlich ein Wesensmerkmal unserer evangelischen Kirche.“
Kirsten Potz, Regionalpfarrerin beim Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) und zuständig für die Kirchenkreise Bielefeld, Gütersloh, Halle und Paderborn.