Das Bayerische Viertel in Schöneberg. Hier wird das jüdische Erbe unübersehbar gepflegt. In Berlin-Tempelhof ist die jüdische Vergangenheit fast ein blinder Fleck. Doch es gibt Spuren, sie müssen nur sichtbar gemacht werden. Das war eine Erkenntnis der 40 Konfirmandinnen und Konfirmanden der Kirchengemeinde Alt-Tempelhof und Michael rund um Pfarrer Bertram Schirr, die gemeinsam über mehrere Monate die Geschichte der Kaufmannsfamilie Elend aus Berlin-Tempelhof recherchiert haben.
Edmund Elend (1881–1933), der Gründer des Warenhauses, stammte selbst aus einer Kaufmannsfamilie in Posen. In Tempelhof eröffnete er zunächst einen Kaufladen im Erdgeschoss eines Wohnhauses, bevor er 1913 das große, mehrstöckige Kaufhaus im Herzen von Tempelhof an der Kaiserin-Augusta-Straße eröffnete – „eine neue Dimension von Kultur und Einkauf“, so Pfarrer Bertram Schirr. Doch die Weltwirtschaftskrise und die Machtergreifung der Nationalsozialisten veränderten alles. Elend beging am 13. Januar 1933 Suizid in den Räumen seines Kaufhauses. Seine Frau Clara und die Kinder konnten noch über die Schweiz nach Haifa ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina flüchten.
Bisher kein Stolperstein für den Warenhausgründer
„Die wenigsten wissen, dass das Kaufhaus eine jüdische Gründung war“, sagt Schirr. Bis heute erinnert kein Stolperstein an die Geschichte. Schirr, der bereits in Spandau an einem Stolpersteinprojekt mitgewirkt hat, wollte mit seinen Konfirmandinnen und Konfirmanden an einem Thema arbeiten, bei dem sie sich unterschiedlich einbringen können. So begann eine Recherche, bei der sich die Konfis auf verschiedene Weise beteiligten. Manche bereiteten Szenen aus dem Leben der Familie Elend zur Aufführung vor, andere arbeiteten an Ausstellungstexten oder suchten Fotos heraus.
Unterstützung bekamen sie von Dagmar Giesecke von der Berliner Geschichtswerkstatt e.V., ob es um Archiv -material oder den Stand der Forschung ging. Dabei stießen sie auch auf eine Nachfahrin der Familie in den USA, die nun eine Stolpersteinverlegung beantragt hat.
Von Konfirmandinnen und Konfirmanden konzipierte Ausstellung
Das Gebäude existiert heute noch als historisierter Nachbau. Der Kern ist original. Mit der von den Konfirmandinnen und Konfirmanden konzipierten Ausstellung, die aktuell im Gemeindehaus der Glaubenskirche zu sehen ist, wird eine Leerstelle in der Stadtteilgeschichte gefüllt. Zu erzählen gäbe es vom lokalen jüdischen Leben noch viel mehr, so Schirr.
Was bleibt, ist die Überzeugung, dass man auch schon mit Konfis ein solches Projekt mit emotional herausfordernder Recherche umsetzen könne. Über ein Treffen mit Zeitzeugen sagt Schirr: „Ein Ziel war, dass sie merken, wie das los geht mit Ausgrenzung und dass es auch Parallelen gibt zur Dynamik in der eigenen Gruppe, wenn einer nicht dazugehören darf und wo Hassrede anfängt. Sie waren mit einer unglaublichen Ernsthaftigkeit, Würde und Neugierde bei der Beschäftigung mit dem Thema dabei.“
Info: Die Ausstellung über die jüdische Familie Elend und die Geschichte des ersten Kaufhauses in Tempelhof ist im Gemeindehaus der Glaubenskirche, Friedrich-Franz-Straße 9, Berlin-Tempelhof von Montag bis Freitag von 9 bis 15 Uhr zu sehen. Schulklassen und alle anderen Interessierten können spontan kommen oder auch eine Führung vereinbaren.