Neue Perspektive: Theologe Meinrad Walter will Kirchenmusik als pastoralen Beruf anerkennen. Sie erreiche Menschen, die andere Angebote kaum noch wahrnehmen.
Kirchenmusiker sind eigentlich pastorales Personal, sagt Meinrad Walter. In einem Beitrag für die Oktober-Ausgabe der “Herder Korrespondenz” schreibt der Freiburger Kirchenmusiker, von einer Zuordnung der kirchenmusikalisch Tätigen zum pastoralen Dienst könnten viele Projekte profitieren. Es führe kein Weg daran vorbei, die hauptberufliche Kirchenmusik “auch im rechtlichen Sinne als das zu profilieren, was sie in ihrer Ausgestaltung längst ist: ein pastoraler Beruf sui generis.”
Bisher werden Kirchenmusiker zumeist zu den “Folgediensten” gerechnet, wie Mesner. Doch Walter betont: “Die pastoralen Chancen der Kirchenmusik reichen vom Kinderchor bis zur Aufführung großer Oratorien.” Weil die Kirchenmusik als “klingende Sprache des Glaubens” liturgisch und konzertant viele Menschen erreiche, die andere kirchliche Angebote kaum noch wahrnehmen, gelte Kirchenmusik als Aktivposten: Orgelkonzertreihen gehörten zum kulturellen Leben eines Ortes, und die Proben der Kinder- und Erwachsenenchöre führten Woche für Woche zahlreiche Menschen zusammen, so Walter.
“Musik und Glaubensvermittlung könnten noch häufiger Hand in Hand gehen”, schlägt der nebenberufliche Kirchenmusiker vor. So könne etwa eine pastorale Initiative zu den Psalmen musikalisch in Gottesdiensten und Konzerten begleitet werden. Der Theologe und Musikwissenschaftler ergänzte: “Werden solche dialogischen Aspekte intensiviert, könnte dies sogar zur Attraktivität des kirchenmusikalischen Berufs beitragen.” Als positives Beispiel sieht Walter die Citypastoral einer Großstadt, bei der im multiprofessionellen Team auch die Kirchenmusik vertreten sei.
Der Theologe konstatierte, aktuelle kirchenmusikalische Stellenanzeigen formulierten häufig “pastorale” Erwartungen an die Bewerber. Künstlerische Expertise werde dagegen offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt. “Fast kurios klingt es, wenn – in einer Stellenanzeige aus München – ein ‘pastorales Selbstverständnis der kirchenmusikalischen Arbeit’ erwartet wird, wo doch die Anerkennung als pastoraler Beruf (noch) nicht gegeben ist.”
Walter betonte, konstruktive Lösungen würden am ehesten im Dialog zwischen Pastoral und Kirchenmusik gefunden. Problematisch werde es allerdings, wenn die musikalisch Tätigen auf allen kirchlichen Ebenen bei Entscheidungsprozessen, die sie unmittelbar betreffen, nicht einbezogen würden. Ein Beispiel dafür seien die gescheiterten Verhandlungen mit der Gema über einen Rahmenvertrag für Kirchenkonzerte. Walter ergänzte: “Ähnlich fragwürdig und kommunikativ defizitär ging jüngst die für 2027 geplante Streichung des gesamten Zuschusses des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) an den Allgemeinen Cäcilienverband (ACV) vonstatten.”