Sollte sich die Kirche für Klimaschutz einsetzen? Auch auf diese Frage hat die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU 6), die alle zehn Jahre erhoben wird und deren aktueller Auswertungsband im Dezember erschienen ist, eine Antwort. 78 Prozent der Befragten erwarten von der Kirche ein Engagement für Klimaschutz, und zwar Mitglieder ebenso wie Nichtmitglieder.
Papst Franziskus hat schon vor Jahren mit seiner Enzyklika „Laudato Si“ diese Frage positiv beantwortet. Der Deutsche Ethikrat nennt in seiner Stellungnahme zur Klimagerechtigkeit vom März 2024 die Kirche(n) zwar nicht explizit, sieht jedoch eine Verantwortlichkeit und Mitwirkungspflicht aller Akteure und Individuen. Und schließlich ist der Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung im Rahmen des Konziliaren Prozesses fester Bestandteil christlicher Theologie.
Zwei weitere Erkenntnisse aus der KMU 6 sind außerdem interessant. Erstens: Religiosität hat keinen signifikanten Einfluss auf das Klimabewusstsein. Und zweitens: Umweltbewusstsein führt nicht unbedingt zu umweltfreundlichem Handeln. Hier könnte man also noch nachsteuern. Beschlossene Maßnahmen unserer Kirche und konkretes Handeln sind nämlich nicht unumstritten. Der Diskurs darüber scheint derzeit von anderen Problemen wie Geldmangel und Mitgliederschwund überlagert.
Soll die Kirche politisch wirken?
In der Frage, ob Kirche überhaupt im weitesten Sinne politisch tätig werden sollte, sind sich die Kirchenmitglieder nicht einig. Das hemmt unseren Einsatz für Klimaschutz. Politische Fragen seien nicht Aufgabe von Kirche. Aber unsere Kirche lebt von Vielfalt. Nicht alle müssen alles vertreten. Aber es sollte anerkannt werden, was die Geschwister als grundlegend für ihren Glauben erachten und versuchen umzusetzen.
Hier gilt es auch mit Blick auf die Fragen rund um den Klimawandel, in den Bemühungen um Dialog und Verständigung nicht nachzulassen, die eigenen Beweggründe zu erklären und anderen zuzuhören, gerade dann, wenn sie anderer Meinung sind. Für mich ist kirchliches Handeln in den irdischen Herausforderungen nicht von der Verkündigung des Evangeliums zu trennen.
Zwei Gebote werden uns Christ:-innen als grundlegend und konstitutiv für unseren Glauben ans Herz gelegt, und zwar unter Berufung auf das jüdische Gesetz: Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele und mit all deiner Kraft, und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Beides ist ausdrücklich gleichwertig!
Auswirkungen des Klimawandels sind global sehr ungleich verteilt
Allein aus dem zweiten essenziellen Gebot ergibt sich, dass wir uns als Kirche für Klimagerechtigkeit einsetzen müssen, und damit auch für den Klimaschutz. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind global sehr ungleich verteilt. Die einen Regionen der Erde sind stark betroffen durch Dürren, Flut- und andere Katastrophen, andere wie Deutschland weniger.
Die Folgen haben eher Länder zu tragen, die nicht für den menschengemachten Anteil an der Erwärmung verantwortlich sind. Wir werden daher in der Verantwortung stehen, wenn Gebiete der Erde wegen der Erwärmung unbewohnbar werden. Die Menschen dort werden sich eine neue Heimat suchen müssen in den weniger betroffenen Klimazonen. Je weniger sich das Klima erwärmt, desto weniger Menschen müssen sich auf den Weg machen. Das ist ein gemeinsames Interesse aller.
Dies kommt zu den anderen Ungleichheiten, die seit langem bestehen und gegen die immer noch viel zu wenig unternommen wird, noch hinzu. Wenn wir also das Gebot der Nächstenliebe ernst nehmen wollen, dann müssen wir uns dafür einsetzen, dass die Erderwärmung infolge des Klimawandels so lange und so weit wie möglich aufgehalten wird. Wir stehen auch in der Verantwortung, den nachfolgenden Generationen eine bewohnbare Erde zu hinterlassen. Das Ziel, die durchschnittliche Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wurde im vergangenen Jahr bereits verfehlt.
Das Doppelgebot der Liebe gebietet Umweltschutz
Am eindrücklichsten ist das Doppelgebot der Liebe wohl bei Lukas (10,25ff.) eingebettet. Es steht dort geschrieben als Antwort Jesu auf die Frage, wie wir das ewige Leben ererben können. Um auch gleich zu klären, wer denn unser Nächster ist, wird das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt. Der Samariter hilft dem Menschen, an dem die Glaubensbrüder achtlos vorbeigegangen sind. Er fragt nicht danach, wer das denn ist, der da verletzt auf der Straße liegt, wo er herkommt oder was er an diesem Ort zu suchen hatte. Er fragt nicht danach, ob er für sein Schicksal auch selbst verantwortlich ist. Sondern er hilft, durch konkretes Handeln und mit finanziellen Mitteln.
Denn wenn wir uns nur um die Unseren kümmern, was tun wir Besonderes? Wir sollten als Christinnen und Christen und als Kirche alles aufwenden, was in unseren Kräften steht, um die globale Erwärmung aufzuhalten und ihre Folgen zu begrenzen und abzumildern.
Claudia Ludwig ist Vorsitzende des Ständigen Ausschusses Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung der EKBO-Landessynode und Prädikantin in der Gesamtkirchengemeinde Beeskow.