Artikel teilen

Klein vermisst hassfreien Raum für palästinensisches Leid

Nach dem Eklat wegen israelfeindlicher und antisemitischer Slogans auf dem Weihnachtsmarkt der Darmstädter Michaelsgemeinde am vergangenen Wochenende hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, mehr Differenzierung gefordert. Der Vorfall in Darmstadt zeige ein grundlegendes Problem, sagte er am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Das verständliche Anliegen, das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung anzumahnen, hat in unserer Gesellschaft nahezu keinen Raum, da es von Israelhassern vereinnahmt wird.“

Genau das sei auch in Darmstadt geschehen, sagte Klein. Auf dem „Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt“ der Gemeinde waren von einer propalästinensischen Gruppe Produkte angeboten worden, die unter anderem das Kennzeichen der verbotenen Terrororganisation Hamas, das rote Dreieck, oder den Slogan „From the river to the sea“ („Vom Fluss bis zum Meer“) zeigen, der auch als Code für die von der Hamas angestrebte Auslöschung Israels genutzt wird.

„Statt ‚Frieden‘ wurde die Vernichtung Israels propagiert und Devotionalien einer mörderischen Terrororganisation verkauft“, sagte Klein. Das sei nicht nur unehrlich, sondern verabscheuungswürdig. Dies gelte auch dafür, dass der Gemeindepfarrer nun Morddrohungen erhalte. „Was wir als Gesellschaft brauchen, ist die Rückkehr zu einem differenzierten und unideologischen Diskurs“, sagte Klein.

Die evangelische Landeskirche hatte am Donnerstag angeordnet, dass Pfarrer Manfred Werner die Amtsgeschäfte vorübergehend nicht mehr ausübt. Werner begrüßte dies im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): Er habe Morddrohungen per Telefon und SMS erhalten und müsse seine Familie schützen. Am Freitag wurde aus dem Kirchenvorstand bekannt, dass das für die Organisation des Weihnachtsmarktes verantwortliche Mitglied des Kirchenvorstands, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter, zurückgetreten sei.

Der Kirchenvorstand habe berichtet, dass er von der teilnehmenden Gruppe „Darmstadt4Palestine“ hintergangen worden sei, sagte Werner dem epd. Es habe die klare Absprache gegeben, dass Teilnehmer nichts auslegen dürften, was den Charakter der Gemeindeveranstaltungen als Dialogforum stört. Die Gruppe habe den Markt für ihre Zwecke missbraucht. Er und die Gemeinde lehnten Rassismus und Antisemitismus strikt ab. Durch den Vertrauensbruch werde die Gemeinde in eine antisemitische Ecke gestellt, gegen die sie sich immer gewandt habe.

Der Pfarrer bat in einer auf der Homepage der Gemeinde veröffentlichten Stellungnahme um Entschuldigung. Inzwischen hätten Künstlerinnen und Künstler, unter anderen die israelische Klarinettistin Irith Gabriely, ihm ihre Solidarität ausgesprochen. Eine Ärztin habe geschrieben, das Projekt des Dialogforums der Michaelsgemeinde, das eine „überreligiöse Ethik“ vertrete, dürfe nicht scheitern. So habe es dort etwa eine Diskussion mit einem israelischen Soldaten der Gruppe „Combatants for Peace“ und einem Palästinenser gegeben.

Der Staatsanwaltschaft liegen mehrere Strafanzeigen gegen die Gemeinde vor, unter anderem von der Jüdischen Gemeinde Darmstadt, dem Hessischen Antisemitismusbeauftragten und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. „Wir werden in jeder Hinsicht mit der Staatsanwaltschaft kooperieren“, versprach Werner.