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Kirchenkreis hilft armen Kindern: „Viele kommen hungrig her“

Bei der Bundestagswahl geht es auch um Hilfen für arme Menschen. Wie groß deren Not ist, zeigt einer der ärmsten Stadtteile Deutschlands: Bremerhaven-Lehe. Hier kommt Hilfe vom Kirchenkreis.

Auch Kinder aus armen Familien sollen eine gute Zeit haben. Das ist dem Kirchenkreis Bremerhaven wichtig (Symbolbild)
Auch Kinder aus armen Familien sollen eine gute Zeit haben. Das ist dem Kirchenkreis Bremerhaven wichtig (Symbolbild)Rolf Zöllner

„Es ist nicht alles negativ bei uns“, sagt Sonja Gronewold. Aber dass Bremerhaven-Lehe zu den ärmsten Stadtteilen in Deutschland gehört, will die Sozialarbeiterin nicht schönreden. „Natürlich haben hier viele Menschen Probleme, manche können sich kaum über Wasser halten“, stellt Gronewold klar. Betroffen seien vor allem Alleinerziehende, die im Stadtteil leben, aber auch zunehmend junge Menschen. Laut Statistik lag die Schuldnerquote in Lehe im Jahr 2023 insgesamt bei annähernd 40 Prozent, ein bundesweiter Spitzenwert. “Viele Bewohner haben keine Arbeit und beziehen Bürgergeld, andere haben zwar Arbeit, aber zum Leben reicht es trotzdem kaum”, sagt Gronewold. Zudem gebe es Sprachprobleme, den Kindern fehle es an Rückzugsraum.

Gronewold setzt sich ein, dass es vor allem die Kinder ein bisschen besser haben. Die 68-Jährige leitet das kleine Familienzentrum Neuelandstraße in Trägerschaft des Kirchenkreises Bremerhaven. Es liegt mitten im Klushof, einem der beiden Brennpunkte in Lehe. Gronewold macht hier neben einer Sozialberatung täglich wechselnde Angebote für Kinder. Sie liest vor, spielt oder bastelt mit ihnen. Es gibt eine Hausaufgabenhilfe, eine Eltern-Kind-Gruppe und ein Elternkaffee. Dienstags geht sie mit den Kindern in eine Sporthalle, mittwochs kocht sie mit ihnen. „Viele kommen hungrig her, obwohl sie in der Schule verpflegt werden“, sagt Gronewold.

Familienzentrum Neuelandstraße will Gefühl der Wertschätzung vermitteln

Das Familienzentrum soll ein Anlaufpunkt für Familien sein, hofft die engagierte Frau, die längst in Rente sein könnte. „Ich wünsche mir, dass die Menschen bei uns erleben, dass sie wertgeschätzt werden. Das geschieht viel zu selten in unserer Gesellschaft“, klagt Gronewold. Dabei setzt sie auch auf die eigenen Ressourcen der Familien. „Das Leben ist mehr, als zu Hause zu sein. Die Familien sollen lernen, dass sie sich engagieren und dadurch etwas verändern können.“

Hilfe wie vom Familienzentrum des Kirchenkreises gibt es auch von anderen Trägern, erklärt Gronewold. Die Caritas und die Stadt Bremerhaven würden weitere Familienzentren im Stadtteil betreiben. „Es fehlen zwar Hortplätze, aber insgesamt sind die Angebote noch ganz ordentlich“, fasst Sonja Gronewold zusammen.

Kirchengemeinde will wieder zur einer Anlaufstelle werden

Bis vor einigen Monaten war auch die Michaelis- und Pauluskirchengemeinde eine feste Adresse für Hilfesuchende. „Die klopften an die Türen der beiden Pastorinnen und bekamen Essen, Medikamente und Geld“, erzählt Manon Veit. Dafür habe es sogar einen eigenen Gemeinde-Etat in Höhe von rund 1000 Euro gegeben. Doch seit neun Monaten seien die beiden Stellen vakant und die Gemeinde auf Vertretungsdienste angewiesen. Eine neue Stelle sei zwar seit Monaten ausgeschrieben, doch es finde sich kein Interessent, erklärt die Kirchenvorsteherin.

„Wir möchten gerne eine Anlaufstelle für die Sorgen und Nöte der Menschen sein und wieder eine Diakonie haben.“ Aber ohne einen eigenen Pastor, der als Ansprechpartner im Stadtteil fungiere, sei diese Herausforderung nicht zu bewältigen. „Wir sind dafür nicht ausgebildet“, sagt die Steuerfachwirtin.

Sprachunterricht in der Michaelis- und Pauluskirchengemeinde geplant

Trotzdem gibt es in der Gemeinde soziale Angebote. So seien alle nach dem Gottesdienst in der Michaeliskirche zum Kirchenkaffee eingeladen, sagt die Kirchenvorsteherin. „Da kommen dann die älteren Leute, die keine Not haben. Aber auch die freuen sich über eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen.“ Zudem seien die Mitglieder des Kirchenvorstands gut im Stadtteil vernetzt und würden sich engagieren.

Auch die Pauluskirche, die direkt an einer Hauptverkehrsstraße liegt, sei geöffnet, sodass sich Menschen dort aufwärmen könnten. „Künftig soll es auch wieder Sprachunterricht im Gemeindehaus geben, nachdem er einige Zeit ausgefallen war“, kündigt Veit an. „Da wollen wir wieder hin, dass sich alle Menschen in unserer Gemeinde willkommen fühlen.“