UK 38/2015, Streikrecht (Seite 4: „Beschwerde von ver.di erfolglos“ und Seite 5, Kommentar: „Rechtsklarheit“)
Kirche und Diakonie sind seit 2009 unterwegs, den Mitarbeitenden in Kirche und Diakonie das Streikrecht zu nehmen durch ein gerichtliches Verbot. Vergeblich!
Am 13. Januar 2011 kam es vor dem Landesarbeitsgericht Hamm zu einem Prozess über ein von Kirche und Diakonie beantragtes gerichtliches Streikverbot in der Kirche. Der Antrag wurde ohne Wenn und Aber verworfen. Eine krachende Niederlage für Kirche und Diakonie. Sie gingen in Berufung beim Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt, das am 20. November 2012 die Revision verwarf, eine weitere krachende Niederlage.
Beide Niederlagen verstanden Kirche und Diakonie als grandiosen Siege, weil das Gericht ihren Dritten Weg nicht verboten hatte, sondern für den Fall für zulässig erklärte, dass die Gewerkschaften sich „koalitionsmäßig betätigen“ könnten. Diesen Fall gibt es bis heute nicht. Das Streikrecht für Mitarbeitende in Kirche und Diakonie bleibt unangetastet.
Nach dem Urteil des BAG von 2012 trat der folgende Fall ein: Die Prozessgewinnerin Verdi fürchtete, dass Kirche und Diakonie in der Folge des Urteils mit Berufung auf das Urteil Regelungen treffen könnten, mit denen sie das Streikrecht als Grundrecht wiederum aushebeln zu können glaubten. Deshalb legte die Gewerkschaft Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil beim Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe ein zum Schutze des Grundrechts.
Normalerweise sind es die Prozessverlierer, die die letzte Instanz anrufen. Kirche und Diakonie verzichteten aus Furcht vor der endgültigen Niederlage auf Revision vor dem BVG. Die Novembersynode 2013 der Evangelischen Kirche von Westfalen verabschiedete eine neue Fassung des Arbeitsrechtsgrundsätzeregelungsgesetzes (sic!), um das gewünschte Streikverbot unanfechtbar zu machen. Es bietet den Gewerkschaften „kirchengemäße Tarifverträge“ an, das sind Tarifverträge mit Streikverbot und Zwangsschlichtung. Wie man auf die Idee kommen kann, über ein solches „Unterwerfungsangebot“ mit Gewerkschaften verhandeln zu können, bleibt ein Rätsel. Deshalb ist bis jetzt alles beim Alten geblieben.
Nun hat die Gewerkschaft eine Antwort aus Karlsruhe erhalten auf ihre Verfassungsbeschwerde: „Verfassungsbeschwerde gegen ,Dritten Weg‘ im kirchlichen Arbeitsrecht unzulässig“.
„Unzulässig“ klingt nach einer Niederlage der Gewerkschaft, ist aber inhaltlich ein Sieg, weil das Bundesverfassungsgericht klarstellt, die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, weil sie „überflüssig“ ist. Die Gewerkschaft braucht laut BVG keine Angst zu haben, denn nach dem Urteil des BAG ist ein Streikverbot in Kirche und Diakonie unzulässig und das Streikrecht kann nicht angetastet werden.
Kirche und Diakonie bleibt jetzt nur der Dritte Weg mit vollem Streikrecht für die Mitarbeitenden der Kirche. Offen bleibt nach wie vor und jetzt erst recht ein GPS-Tarifvertrag für alle Mitarbeitenden in Kirche und Gesellschaft in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Soziales.
Wolfgang Belitz, Sozialpfarrer i.R., Unna
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Kirche und Diakonie haben Rechtsstreit verloren

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