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Kirche muss ihr Familienbild überprüfen

UK 29/2015, Familie (Seite 2: „Warum Väter für Kinder wichtig sind“)
Bedauerlicherweise lässt das Familienbild der EKD keine vergleichbare Entwicklung erkennen, denkt man einmal an ihre verunglückte zwei Jahre zurückliegende Publikation unter dem Begriff „Orientierungshilfe“ zu Ehe und Familie, von der Professor Udo Schnelle von der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg in einem Leserbrief an die FAZ geschrieben hatte, es sei erschreckend,  wie weit sich der Protestantismus von seiner eigenen Grundlage, der Bibel, entfernt hätte.
Schon im Jahre 1962 erschien aus der damals berühmten evangelischen Theologenschule der Universität Hamburg in der Reihe der Stundenbücher im Furche- Verlag die Publikation von Professor H. R. Müller-Schwefe „Welt ohne Väter“. Diese Schrift hat bis heute wenig an Aktualität verloren. Genauso wenig wie Alexander Mitscherlichs Veröffentlichung 1973, „Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft“. Und 2013 wurde in die Deutsche Nationalbibliothek ein Buchtitel aus dem Bereich der Psychiatrie/Psychotherapie aufgenommen unter dem Titel „Väter in der Psychotherapie – der Dritte im Bunde?“ (H. Walter u. H. Hierdeis).
Alle Autoren weisen nach, welche verheerende Entwicklungen resultieren können, wenn unter dem Einfluss gesellschaftspolitisch relevanter Gruppen die Vaterrolle immer wieder in ihrer Bedeutung relativiert wird. Die Kinder- und Jugendmedizin hat aber inzwischen – Gott sei Dank, muss man sagen – erkannt, dass eine gelingende Kinder- und Jugenderziehung spätestens jenseits des 2. Lebensjahres  ohne die physische Anwesenheit des Vaters immer eine defizitäre sein und bleiben wird.
Man braucht nur einmal einen Kontakt zum Jugendstrafvollzug, um schwarz auf weiß vermittelt zu bekommen, dass über 90 Prozent der jungen Inhaftierten mehr oder weniger massiv defizitäre Biographien hinsichtlich einer gelungenen Vaterbeziehung aufweisen.
Eine Forderung an EKD und Landeskirchen ergibt sich logischerweise: die Notwendigkeit der Überprüfung ihrer Familienmodelle auf Kompatibilität hinsichtlich moderner wissenschaftlicher Kriterien.
Dr. med. Gerhard Gräwe, Unna