Wer häufig ins Kino geht, ertappt sich bestimmt ein ums andere Mal bei dem Gedanken, dass die großen Säle mit Blick auf leere Zuschauerränge ziemlich überdimensioniert scheinen. Doch des einen Freud – so ein stiller Saal hat je nach Film durchaus seine Vorteile – ist mit Sicherheit des anderen Leid: nämlich das des Kinobetreibers. Und die blicken in Deutschland zum Jahresende auf maue zwölf Monate zurück: „Es ist nicht so, dass gar keiner mehr kommt“, sagt Christine Berg, Vorstandsvorsitzende des Verbands HDF Kino. „Aber wir sind noch nicht auf dem Niveau, zu dem wir eigentlich hin müssen.“
Konkret heiße das, wenigstens 100 Millionen Tickets im Jahr zu verkaufen. „Da waren wir immer und da wollen wir auch wieder hin“, sagt Berg im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aktuell geht der Verband mit mehr als 570 Mitgliedsunternehmen, die eigenen Angaben zufolge etwa drei Viertel aller Leinwände repräsentieren, jedoch nur von rund 90 Millionen verkaufter Tickets zum Jahresende aus.
Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden fast 96 Millionen Tickets bundesweit verkauft, im Vor-Corona-Jahr 2019 sogar noch knappe 119 Millionen, wie aus Daten der Filmförderungsanstalt Deutschlands hervorgeht. Dieser Rückgang betrifft auch hessische Kinobetreiber, bestätigt Kinopolis-Geschäftsführer Gregory Theile: „Wir liegen momentan bei den Besucherzahlen im Branchenschnitt, also etwa acht Prozent hinter dem Vorjahr.“ Beim Umsatz sehe es ähnlich aus, so Theile, der insgesamt 17 Standorte – acht davon in Hessen – betreibt.
Hauptursache für das schwächelnde Jahr sei das Filmangebot. „Hollywood stand ein halbes Jahr still“, erinnert Theile an den Autoren- und Schauspielerstreik 2023. Die Produktionen seien nicht in gewohnter Form nachgekommen, einige Filme – so wie „Alles steht Kopf 2“ hätten jedoch gezeigt, wie schnell das Interesse an Kino wieder da sein kann. Und auch die sozialen Netzwerke spielten eine bedeutende Rolle für den Erfolg oder Misserfolg eines Films: „Es gibt Filme, deren Erfolg nur durch Social Media zu erklären ist“, sagt Theile. „So etwas kann uns geradezu unvorbereitet treffen“ – so geschehen beispielsweise beim Horrorfilm „Smile“, dessen Fortsetzung dieses Jahr in den Kinos startete.
Für den Geschäftsführer ist klar, dass Kinos investieren müssen, um für die Zuschauer attraktiv zu bleiben und sich vom Streaming auf der heimischen Couch weiter abzuheben. „Das Kino der Zukunft bietet eine bequemere Bestuhlung und besseres Licht in den Sälen, Service am Platz und mehr Aufenthaltsqualität auch schon vor dem Film“, so Theile. Die Ticketpreise hingegen sind seiner Meinung nach kein entscheidender Faktor. Wer einmal in einem modern ausgestatteten Kino Platz genommen hat, ist sicher geneigt, dem zuzustimmen.
In Hessen lag der durchschnittliche Eintritt laut Filmförderungsanstalt im vergangenen Jahr bei 9,93 Euro. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres waren es 9,84 Euro. Trotz höherem Mindestlohn und gestiegenen Energiekosten, die auch Theile betont, ist der Schnitt stabil. Mit rund 3,3 Millionen zwischen Januar und Juni 2024 verkauften Tickets, liegt Hessen im bundesweiten Vergleich auf dem sechsten Platz.
Vor allem mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft ist der Kino-Chef zuversichtlich. Er mahnt: „Immer wenn ein Kino schließen muss, ist der Aufschrei groß. Wenn aber jeder einmal mehr ins Kino gegangen wäre, gäbe es überhaupt kein Problem.“
Ein „Kinosterben“ drohe nicht direkt, wenn die Branche auch weiterhin nicht die 100-Millionen-Marke schafft, sagt Christine Berg, die für dieses Jahr ebenfalls auf ein starkes Weihnachtsgeschäft hofft. Sie hebt aber auch hervor, dass Betreiber investieren müssen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer wollten sich in Kinos aufhalten und einen Kaffee oder einen Cocktail trinken. „Kinos, die renovieren konnten, haben bis zu 30 Prozent mehr Besucher“, so Berg. Dazu brauche es von Seiten der Politik Fördermittel: „Wir wollen keine Subventionsempfänger werden. Aber wir brauchen, um jetzt durchstarten zu können, eine Investitionsförderung.“
Das hessische Kulturministerium teilte auf Anfrage mit, dass bei Hessen Film und Medien im Rahmen der Kinoinvestitionsförderung und vorbehaltlich des Haushaltsbeschlusses für 2025 bis zu 500.000 Euro zur Verfügung stünden.