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“Kindheit, Geborgenheit, Bildung” – Zukunft des KiKA bewegt viele

„KiKA wird abgeschaltet“, „KiKA steht nach 25 Jahren vor dem Aus“: Das sind nur einige von vielen Falschmeldungen der vergangenen Monate. In einer Online-Petition heißt es gar: „Ein großer Teil unserer Kindheit droht, für immer verloren zu gehen.“ Unter dem Hashtag #KiKAretten sammelt die 18-jährige Hailie W. Unterstützer. Der Kinderkanal von ARD und ZDF sei nicht bloß ein Fernsehsender, schreibt sie, „sondern ein Stück Kindheit, Geborgenheit und Bildung – ein Ort, an dem wir lachen, lernen und träumen durften.“ Die Vorstellung, dass dieser Sender bald Geschichte sein könnte, sei „erschütternd und inakzeptabel“.

Was war passiert? Im Rahmen ihres Reformstaatsvertrags haben die Bundesländer beschlossen, dass ARD und ZDF die Zahl ihrer TV-Spartenkanäle reduzieren sollen. Das betrifft unter anderem den KiKA. Aber er wird keineswegs abgeschaltet. Der Beschluss betrifft allein die Verbreitung: Der Sender soll spätestens ab dem 1. Januar 2033 nur noch übers Internet zu empfangen sein.

KiKA-Programmgeschäftsführer Roman Twork versteht die Aufregung nicht. Er ist Jahrgang 1989 und mit dem 1997 gestarteten Kinderkanal aufgewachsen. Der KiKA, sagt er, erziele heute bei beiden Ausspielungsvarianten, also linear im Fernsehen sowie auf Abruf im Internet unter kika.de, enorm hohe Reichweiten.

Als Reaktion auf die Falschmeldungen hat der Sender ein Statement veröffentlicht. Darin wird erklärt, das Angebot des KiKA werde zwar künftig „als ein sogenanntes Telemedienangebot geführt“, könne also nur noch im Internet aufgerufen werden. Diese Einstufung treffe jedoch keinerlei Aussage über die Art der Formatierung. Also darüber, ob Inhalte wie eine „Sendung mit der Maus“ dann nur auf Abruf einzeln angeschaut werden können oder als Teil einer kuratierten Sendestrecke präsentiert werden, wie gewohnt mit einer klassischen Programmstruktur.

Dies sei „eine Flexibilität, die wir sehr begrüßen und die den veränderten Nutzungswünschen und Bedürfnissen von Kindern und Eltern entgegenkommt“, heißt es im KiKA-Statement. Inoffiziell geht man beim KiKA davon aus, dass es das Programm auch über 2033 hinaus weiterhin in seiner gewohnten Form geben wird, nur eben online.

Das klassische lineare Fernsehen hat nach Ansicht von Erziehungswissenschaftler Stefan Aufenanger von der Uni Mainz gegenüber einer Internetnutzung einzelner Sendungen auf Abruf einen entscheidenden Vorteil: „Eltern können klare Grenzen setzen. Wenn das ‘Sandmännchen’ vorbei ist, geht’s ins Bett.“ Wenn Väter oder Mütter die Sendung etwa über YouTube gezielt aufriefen, bestehe stärker die Gefahr, dass die Kinder immer mehr wollten: „Kaum ist eine Folge zu Ende, folgt wie in einer Endlosschleife umgehend die nächste.“

Der erfahrene Medienpädagoge fürchtet generell, dass Jungen und Mädchen die Sendungen zunehmend allein konsumierten: „Kinder bekommen ihr erstes Smartphone, wenn sie gerade mal im zweiten oder dritten Schuljahr sind. Das hat natürlich großen Einfluss auf ihre Mediennutzung.“ Dabei sei selbst Kinderfernsehen keineswegs harmlos. „Was oft übersehen wird: Kinder stoßen auch in Sendungen, die eigens für sie produziert worden sind, mitunter auf Aspekte, die durchaus angsterregend können. Kindersendungen thematisieren oft Konflikte, zum Beispiel familiäre Probleme, die bei betroffenen Kindern Ängste auslösen können.“

Auch Medienwissenschaftlerin Maya Götz warnt vor kindlichem Medienkonsum ohne elterlichen Einfluss: „Wir leben heute in einer Zeit, in der die Eltern ihre Kinder mit dem ersten Smartphone in ein Haifischbecken lassen, das von kommerziellen Anbietern und sozialen Netzwerken aus den USA und aus China dominiert wird. YouTube und TikTok sind nicht erfunden worden, um das Kinderwohl, die Identitätsentwicklung oder den sozialen Zusammenhalt zu fördern, sondern um Profite zu machen“, sagt die Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk.

Natürlich könnten die Entwicklungen rund um Smartphone und Social Media nicht gestoppt werden. „Aber wir können als Gesellschaft einen medialen Freiraum bauen, in dem die Kinder sicher vor Monetarisierung sind.“ Das Angebot eines derartigen „Schutzraums“, der pro-soziale Grundlagen vermittle, ist nach Ansicht von Götz eine öffentlich-rechtliche Kernaufgabe. Dieser Auftrag sei nicht damit erledigt, eine Mediathek anzubieten, warnt sie mit Blick auf den KiKA der Zukunft.

Hailie W., die die Petition initiiert hat und für ein epd-Gespräch nicht zur Verfügung stand, würde dem sicher zustimmen. In einer Aktualisierung ihrer Petition, die mittlerweile knapp 60.000 Mal unterschrieben worden ist, heißt es: „Ich hoffe, dass der KiKA möglichst noch mindestens die nächsten acht Jahre im Fernsehen läuft, oder noch besser, dass die Entscheidung in diesem Zeitfenster wieder zurückgenommen wird.“ Ihre Petition bleibe daher weiter offen.