Sie spricht von einem „intellektuellen Zirkel“, flapsig auch mal von einem „Kinderkarten“. Warum die Generalstaatsanwaltschaft hinter den Treffen einer Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß eine terroristische Vereinigung vermutet, die einen gewaltsamen Umsturz geplant hat, erschließe sich ihr nicht. Zumindest habe sie keine Kenntnis davon gehabt. Birgit Malsack-Winkemann, von 2017 bis 2021 Bundestagsabgeordnete der AfD und ehemalige Richterin in Berlin, weist bei ihrer mehr als vierstündigen Aussage am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt alle Anschuldigen gegen sie zurück.
Laut Anklage war sie Teil des Rates der Gruppierung um Prinz Reuß, der nach einem Umsturz übergangsweise die Regierung übernehmen sollte. Darin sollte Malsack-Winkemann Justizministerin werden. Dem Rat angehört zu haben, widerspricht sie nicht, wohl aber dessen Absichten.
„Wir sollten uns nur darüber Gedanken machen, was wir als optimal in unserem jeweiligen Bereich ansehen würden“, sollte es ganz hypothetisch mal zu einem Umsturz kommen. Aber der Prinz habe stets gesagt „keine Revolution“, da nach einer Revolution keine ordnungsgemäße staatliche Struktur möglich sei.
Ihre Zugangsrechte zum Reichstagsgebäude hatte die Ex-Abgeordnete laut Generalstaatsanwaltschaft genutzt, um Mitverschwörern zu ermöglichen, das Gebäude auszukundschaften. Eine Führung mit dem Mitangeklagten Oberst a.D. Max E.gibt sie zu. Allerdings habe sie als Bundestagsabgeordnete Hunderte Menschen durch das Gebäude geführt und keinen Anlass gehabt, an der Seriosität von Max E. zu zweifeln.
Den Kontakt zwischen hat laut Aussage von Malsack-Winkemann Hilde L. hergestellt, eine Astrologin, die die AfD-Politikerin beim Aufbau ihres Bundestagsbüros in Berlin beraten und jahrelang begleitet habe. Die Führung mit Max E. sei ein „Freundschaftsdienst für Hilde L.“ gewesen.
Die in München angeklagten Hilde L und Thomas T. haben laut Malsack-Winkemann Menschen für die Gruppe um Prinz Reuß angesprochen und vernetzt. Beide sollen auch dafür gesorgt haben, dass bei ihr nur sehr wenige Informationen ankamen. Der Generalstaatsanwaltschaft unterstelle ihr hingegen, alles gewusst zu haben, was andere gesagt oder geplant haben. Das widerspreche dem Individualstrafrecht, sagt die Juristin.
Die 60-Jährige spricht viel von Telegram-Kanälen, in denen es um die weltweite „Allianz“ geht, einen Geheimbund von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs. Hilde L. habe fest an die „Allianz“ geglaubt, die eines Tages auch Deutschland befreien werde. Sie selbst habe hingegen irgendwann begonnen zu zweifeln, als angekündigte Daten für deren Eingreifen verstrichen waren und Beweise für deren Existenz ausblieben. Auch der Prinz sei irgendwann „sauer geworden“, weil sich niemand von der „Allianz“ zu erkennen gegeben habe.
Birgit Malsack-Winkemann spricht viel von der Verantwortung anderer und davon, dass sie die meisten ihrer Mitangeklagten kaum oder gar nicht gekannt habe. Und sie erzählt viel und detailreich von den verschiedenen Treffen, plaudert wiederholt von einer vorweihnachtlichen Zusammenkunft mit Rotwein und Keksen, von einem Abendessen mit Käsefondue und Rosé. Prinz Reuß habe sie bei einem Abendessen bei einem Frankfurter Edelitaliener kennengelernt, er sei ein herzlicher und offener Mensch.
Alles sei sehr harmlos verlaufen, von einem Reichstagssturm nie die Rede gewesen. Der müsse der Fantasie des Generalstaatsanwalts entsprungen sein. Am Dienstag setzt Birgit Malsack-Winkemann ihre Ausführungen fort.
Die Bundesanwaltschaft wirft Prinz Reuß und weiteren 25 mutmaßlichen Mitverschwörern die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vor. Die Gruppe war im Dezember 2022 aufgeflogen. In Frankfurt wird gegen die neun mutmaßliche Rädelsführer verhandelt, zwei weitere Prozesse finden in München und Stuttgart statt.