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Kein interreligiöses Friedensgebet zu Nahostkonflikt

Wenige Stunden bevor das interreligiöse Friedensgebet am Montagabend auf dem Münchner Marienplatz stattfinden sollte, wurde es vom Münchner Muslimrat abgesagt – als Reaktion auf die Absagen von evangelischen, katholischen und jüdischen Teilnehmern. Auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zog seine Schirmherrschaft zurück. Zuvor hatte es Kritik am Muslimrat gegeben, dem eine „Nähe zu islamistischen Gruppierungen wie DITIB, Millî-Görüs und der Muslimbruderschaft“ vorgeworfen wurde.

Der Muslimrat und das Münchner Forum für Islam (MFI) als Initiatoren und Veranstalter zeigten sich irritiert. Der Muslimrat als Veranstalter des Friedensgebets habe „gehofft, dass alle verantwortlichen Kräfte in unserer Stadt die ausgestreckte Hand ergreifen und deutliche Zeichen für das Miteinander setzen wollten“. Dass dies in München nicht möglich sein solle, bleibe „eine sehr bittere Erfahrung, nicht nur für Muslime“, erklärte Imam Benjamin Idriz vom MFI im Namen des Muslimrats laut einer schriftlichen Stellungnahme am Montag.

Im Laufe des Tages wurden dann alle Absagen nach und nach öffentlich. Nach Recherchen des Evangelischen Pressedienstes (epd) hatte zuerst am späten Sonntagabend der Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern, Jan Guggenheim, aus terminlichen Gründen abgesagt. Kurz zuvor soll auch bereits der evangelische Landesbischof Christian Kopp wegen Terminproblemen abgesagt haben – anders als Rabbiner Guggenheim hatte er einen Vertreter benannt. Die IKG äußerte sich bislang nicht offiziell.

Reiter reagierte nach der offiziellen Absage des Friedensgebets mit Bedauern und Verständnis darauf. Sein Ziel sei gewesen, „in dieser hochemotionalen Zeit“ zu deeskalieren und den Zusammenhalt in der Stadt zu stärken. Bedingung für seine Schirmherrschaft sei gewesen, dass auch ein jüdischer Vertreter ein Gebet spreche. Nach der Absage Guggenheims sei das nicht mehr der Fall. Reiter zufolge ist die Zeit „derzeit offenbar nicht reif“, um in und für München ein gemeinsames Friedensgebet zu ermöglichen.

Ursprünglich sollte neben Guggenheim und Kopp von katholischer Seite auch Dompfarrer Monsignore Klaus Peter Franzl an dem Friedensgebet teilnehmen. Das Motto lautete: „Muslime, Juden und Christen beten für Frieden im Heiligen Land und für das Miteinander in München“. Das Erzbistum München und Freising betonte auf epd-Anfrage, die Stadt München habe die Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters für das Friedensgebet am Montag abgesagt, bevor die Erzdiözese München und Freising eine Entscheidung gefällt hatte.

Imam Idriz sagte dem epd, dass der Muslimrat und nicht der Münchner Rat der Religionen das Friedensgebet initiiert hatte, sei zufällig entstanden. Die muslimischen Vertreter hatten nach dem Hamas-Terrorangriff auf Israel das Gespräch mit der Stadt und OB Reiter gesucht, um „friedliche Formen der Anteilnahme“ für Muslime in und um München zu finden. „Wir wollten eine Mahnwache oder Friedensgebet, um allen Opfern zu gedenken und so ein Zeichen von München aus für Frieden und Gerechtigkeit zu senden“, erläuterte Idriz.

Die Präsidentin der IKG, Charlotte Knobloch, äußerte sich am Montagnachmittag über das soziale Netzwerk Facebook: „Die Absage des heutigen ‘Friedensgebetes’ ist aus meiner Sicht die richtige Entscheidung. Die offenen Fragen der letzten Tage haben gezeigt, dass diese Veranstaltung in ihrer geplanten Form nicht die richtigen Signale würde aussenden können.“ Die jüdische Gemeinschaft stehe nach der Terrorattacke fest an der Seite der Angegriffenen. „Das ist und bleibt unsere Richtschnur für alle weiteren Veranstaltungen.“

Die Kritik an dem Friedensgebet kam unter anderem vom Linken Bündnis gegen Antisemitismus München und dem Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, dem ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck. (00/3635/06.11.2023)