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Kämpfer für die Komische Kunst

„Saufen ist Urlaub im Kopf.“ Diese Erkenntnis der Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz leuchtet auch Achim Frenz ein. Gute Komik wie die des Aschaffenburger Duos bringe ihn zum Lachen, sagt der 65-jährige Leiter und Erfinder des Caricatura-Museums in Frankfurt am Main. „Erst kommt die Zeichnung harmlos daher, dann schlägt sie zu.“ Der Kenner des satirischen Humors mit barocker Gestalt und Lockenkopf hat „Greser & Lenz“ sowie die Creme der deutschsprachigen Karikaturisten im Museum für Komische Kunst ausgestellt. Ende Oktober geht er in den Ruhestand, am 9. Oktober wird er offiziell verabschiedet.

„Die Komik ist der Kosmos, der die Welt kritisch betrachtet“, reflektiert Frenz. Fasziniert hat ihn diese Komik von jung auf. „Die Künstler der Neuen Frankfurter Schule haben mein Leben verändert“, gesteht Frenz. Deren Zeichnungen seien „nicht platt erzählt, der Witz dreht sich im Kopf noch zweimal weiter“. Er meint Multitalente wie F. K. Waechter, Robert Gernhardt, F. W. Bernstein und Hans Traxler. „In den 80er Jahren habe ich die Titanic aufgeschlagen und konnte es nicht fassen vor Glück“, beschreibt Frenz seine Bewunderung. Heute ist er einer der Herausgeber der Satirezeitschrift.

„Achim Frenz ist eine absolute Säule der Komischen Kunst“, sagt der bekannte österreichische Maler und Satiriker Gerhard Haderer. „Frenz hat sein großes Talent als Zeichner weggeworfen, um ein Museum für Komische Kunst zu gründen, und er hat das bedeutendste im deutschsprachigen Raum geschaffen.“ Er habe mit Leidenschaft, Herz und Beharrlichkeit für das Haus gekämpft. Frenz’ Lebenswerk sei „das schönste Museum der Welt“, unterstreicht Haderer.

Achim Frenz studierte Kunst und Politik an der Gesamthochschule Kassel. Mit Freunden gründete er die „Künstlergruppe Visuelle Opposition“. 1987 organisierten sie die erste Karikaturen-Ausstellung „Caricatura I. 70 x die volle Wahrheit“. Nach deren Erfolg initiierten sie den „Kulturbahnhof Kassel“. Seit dessen Gründung 1995 zeigt dort die „Caricatura – Galerie für Komische Kunst“ Ausstellungen.

Im Jahr 2000 erhielt Frenz von der Stadt Frankfurt den Auftrag, ein Karikaturen-Museum vorzubereiten und eine Sammlung der Neuen Frankfurter Schule aufzubauen. 2008 stellte die Stadt das Leinwandhaus als Museum für Komische Kunst zur Verfügung. „Mit mehr als 7.000 Originalen der Neuen Frankfurter Schule und rund 5.000 Zeichnungen weiterer Karikaturisten weist das Museum heute den mutmaßlich höchsten Humorgehalt der Museumslandschaft auf“, sagt Leiter Frenz stolz.

Allerdings versteht nicht jeder den Humor. Als die Türkei Ehrengastland auf der Frankfurter Buchmesse 2008 war, forderte die Zeitschrift Titanic zu einem „Mohammed-Ähnlichkeitswettbewerb“ auf. Frenz bot das neue Museum als Ort an. Eine Flut von E-Mails habe sich über das Haus ergossen. Die Stadt sagte die Veranstaltung ab. Auch nach dem Massaker an der Redaktion der Pariser Satirezeitschrift Charlie Hebdo 2015 durch zwei Islamisten gingen zahlreiche Drohbriefe im Museum ein. Die Caricatura stand zeitweilig unter Polizeischutz.

„Die Komische Kunst verteidigt die Meinungsfreiheit, sie stabilisiert die Demokratie“, betont Frenz. „Wir Ausstellungsmacher sind da, um die Satire, um die Freiheit hochzuhalten.“ Heute werde die sie auch angegriffen durch Behauptungen, Karikaturen seien frauenfeindlich, islamfeindlich, rassistisch oder chinesenfeindlich, sagt Frenz. „Ein Witz muss aber Fallhöhe haben, damit er funktioniert.“

Auch im Institutionengeflecht der Stadt Frankfurt kämpfte Frenz. Ein Konflikt mit dem übergeordneten Direktor des Historischen Museums, Jan Gerchow, spitzte sich im Lauf der Jahre zu. Frenz fühlte sich immer mehr gefesselt, seiner Mittel entzogen und begann einen öffentlichen Diskurs. Schließlich gab das Kulturamt der Caricatura 2019 die Selbstständigkeit. „Der erste Schritt der Eigenständigkeit des Museums für Komische Kunst ist mein größter Erfolg“, sagt der Leiter.

„Achim Frenz ist der geborene Museumsdirektor“, findet der Grandseigneur und Mitgründer der Neuen Frankfurter Schule, Hans Traxler. „Ich stelle mir vor, dass er auch ein Naturkundemuseum hätte leiten können, wo er nachts den Saal durchstreift, vor dem mächtigen Nashorn stehenbleibt und ihm über die Nüstern streicht, jenem Tier, das unaufhaltsam durch die Steppe stürmt, so wie er, Achim Frenz, sich im Dschungel des Kunstbetriebs und der Bürokratie durchsetzte.“

Im Ruhestand will Frenz sich für die Gründung der Stiftung für die Satirepartei „Die Partei“ einsetzen. Die könne dann Zeichner in Altersarmut unterstützen. Und er zeichnet immer noch farbenfrohe Aquarelle mit Hintersinn. Da sitzen etwa zwei Vögel diagonal gebeugt in ihrem Käfig, die Schrift erklärt: „Schräge Vögel“. Die Bilder bekommen die Enkel mit dem Stempel „Opa-Post“.