Nach den neu aufgeflammten Kämpfen rund um Aleppo warnen Hilfsorganisationen vor einer Verschärfung der humanitären Krise in Syrien. Dutzende Menschen seien bei Bombardierungen getötet und viele weitere verletzt worden – „die meisten von ihnen Frauen und Kinder“, erklärte die Landesdirektorin für Syrien des „International Rescue Committee“ (IRC), Tanya Evans, am Dienstag in der jordanischen Hauptstadt Amman. Besorgt äußerten sich auch die Diakonie Katastrophenhilfe und der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk.
In Syrien hatten Terrormilizen und Rebellengruppen Ende vergangener Woche ihre größte Offensive gegen die Regierung seit Jahren gestartet. Nach Medienberichten nahmen sie einen Landstrich im Nordwesten ein, darunter den größten Teil von Aleppo. Das syrische Militär sei zuvor rasch abgezogen. Der wichtigste Verbündete der Regierung des Präsidenten Baschar al-Assad, Russland, greift die Rebellen aus der Luft an.
Die IRC-Landesdirektorin Evans verwies auf Berichte, denen zufolge Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen beschädigt worden seien. Dies beschränke den Zugang zu grundlegenden medizinischen Leistungen und gefährde weitere Menschenleben, sagte sie.
Die Diakonie Katastrophenhilfe warnte vor einem Flächenbrand in Syrien. „Wer noch vor wenigen Wochen meinte, dass Syrien sicher für eine Rückkehr Geflüchteter sei, wird spätestens jetzt eines Besseren belehrt“, erklärte der Leiter des Hilfswerks, Martin Keßler. Die Lage in der gesamten Region laufe aus dem Ruder.
Die eskalierenden Kämpfe in Syrien haben Keßler zufolge eine neue Fluchtbewegung ausgelöst. Tausende Menschen, darunter viele aus den Regionen Aleppo und Idlib, suchten angesichts der Gewalt Schutz und Hilfe.
Die Gewalt in Syrien trifft eine Bevölkerung, die bereits durch den seit 2011 andauernden Bürgerkrieg und die Erdbeben im Februar 2023 schwer gezeichnet ist, mit rund sieben Millionen Binnenvertriebenen und vielen Menschen, die in extremer Armut und zerstörten Wohngebieten leben.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Türk, äußerte sich ebenfalls besorgt. Die Kämpfe zwischen Milizen und Regierungstruppen hätten das Leid von Millionen von Menschen weiter verschlimmert, warnte Türk in Genf. Das Hochkommissariat habe Angriffe dokumentiert, bei denen sowohl die Terrormiliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) als auch Syriens Armee und ihre Verbündeten zahlreiche Zivilisten verletzt und getötet hätten. Darunter sei eine große Zahl von Frauen und Kindern.
Der Krieg in Syrien begann 2011 mit einem Volksaufstand gegen das Assad-Regime. Die Proteste wurden brutal niedergeschlagen. Nach UN-Angaben sind im ganzen Land rund 16,7 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Die neue Eskalation der Kämpfe hat auch Folgen für die Arbeit humanitärer Organisationen. Die Partner der Diakonie Katastrophenhilfe in Syrien mussten aufgrund der unsicheren Lage ihre Einsätze vorerst stoppen und bemühen sich, Mitarbeiter in Sicherheit zu bringen, wie das Hilfswerk mitteilte. Das IRC musste die Arbeit nach eigenen Angaben am 28. November vorübergehend einstellen. Inzwischen würden Gesundheitsdienste aber wieder bereitgestellt und medizinische Hilfsgüter geliefert, hieß es.