Oft würden Betroffenheitsbekundungen von muslimischen Organisationen nach Anschlägen als eher phrasenhaft wahrgenommen, so ein Experte. Er fordert konkrete Maßnahmen. Und erklärt die Rolle des interreligiösen Dialogs.
Das Gründungsmitglied der Alhambra-Gesellschaft, Murat Kayman, kritisiert die Reaktion von muslimischen Organisationen nach Anschlägen wie jetzt im Fall des mutmaßlich islamistisch motivierten Angriffs in Solingen. Zunächst gebe es Betroffenheitsbekundungen, die er für glaubwürdig halte, sagte der Jurist dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de (Dienstag). Er denke jedoch, dass diese Reaktionen in der Öffentlichkeit eher phrasenhaft wahrgenommen würden.
Abseits von Betroffenheitsbekundungen passiere nichts, “woran die Öffentlichkeit erkennen könnte, dass die muslimischen Organisationen das Problem des islamistischen Extremismus ernst nehmen”, sagte Kayman. “Es ist nicht erkennbar, dass sie eine Verantwortung dafür verspüren, Maßnahmen einzuleiten, die die Anfälligkeit junger Muslime für radikalisierende Erzählungen erschweren oder verhindern.”
Es zeige sich, dass es immer wieder eine Anfälligkeit für radikale Vorstellungen gebe. Der Jurist betonte: “Es braucht mehr als das passive Von-sich-weisen, es braucht aktive Impulse, die deutlich machen, dass muslimisches Leben als etwas Positives und Bereicherndes für die Allgemeinheit verstanden werden kann.”
Aus Kaymans Sicht bräuchte es eine “muslimische Selbstverpflichtung”, sich zum Wohl der Gesellschaft zu engagieren, Probleme ernst zu nehmen und Lösungen anzubieten. Organisationen verstünden sich vielmehr “als muslimische Enklaven in Deutschland, als geschlossene Wagenburgen, die sich gegen eine nichtmuslimische Gesellschaft behaupten müssen, um ihre Identität zu bewahren”.
Zu einer realistischen Selbstbetrachtung gehöre auch anzuerkennen, dass dem Islam ein Gewaltpotenzial innewohne – “wie bei jeder anderen Religion auch gibt es neben diesem Friedenspotenzial dieses Gewaltpotenzial zur Abwertung anderer Menschen”, erklärte Kayman. “Die Täter, wie in Solingen, missbrauchen den Glauben eben nicht nur, sondern gebrauchen die Potenziale innerhalb ihres Glaubens, um Gewalt zu rechtfertigen und andere Menschen als Feinde und Gegner wahrzunehmen.” Es müsse definiert werden, wie man negatives Potenzial einhegen könne.
Im interreligiösen Dialog könne es hilfreich sein, sich über die negativen Potenziale des Glaubens auszutauschen: “Wenn gemeinsam diskutiert wird, wie in den unterschiedlichen Religionen die jeweils eigene religiös begründete Gewaltlegitimation überwunden wurde oder überwunden werden kann”, so Kayman.