Anklam. Es ist ein selbstverwaltetes Jugendzentrum, das hinter den Papptüren Betrieb macht: der „Demokratiebahnhof“. Leerstehende Räume wurden von Pfadfindern und Stadtjugendring zu einem knallbunt angestrichenen Labyrinth verbunden. Um den Tischkicker kämpfen ein paar Flüchtlinge aus dem benachbarten Heim um Tore – und gegen ihre Langeweile. Auf zusammengewürfelten Sitzmöbeln hocken andere, spielen Bongo, reden oder schauen einfach nur hinaus auf die Gleise. In der Küche beim Tee beraten die Organisatoren: junge Greifswalder und Anklamer. „Jugendcentrum Abstellgleis“, nennen sie, was sie hier bauen: einen Treff für Anklamer Jugendliche.
„Genau in diesen Räumen starten wir unser Theaterprojekt“, sagt Jan Holten – Theaterpädagoge, Kulturakteur und Bühnenmensch. Das Kreisdiakonische Werk Greifswald-Ostvorpommern unterstützt das Projekt. In Wolgast entsteht eine zweite Gruppe. An seiner Seite: Anna Rjabof und Nikolaus Roos, alte Studententheater-Kollegen vom „Stuthe“, die ebenfalls als Theaterpädagogen arbeiten. „Paulina Peene“ sind sie zusammen.
Im Frühjahr geht’s auf die Bühne
Die Kinder, die sie in den Schulen der Umgebung angeworben hatten, trudeln so langsam ein. Zwischen neun und 17 sind sie alt. „Ich hab Kekse für die Kuchenrunde mit“, verkündet Aileen (10) gut gelaunt und schnappt sich einen Schraubenschlüssel. Wie an jedem Freitag wird zuerst die Mini-Bühne aufgebaut. Die Bodenfläche bilden zwei Baumarkt-Wagen. Kurze und lange Rohre werden mit Schellen verbunden und schwarzem Tuch verhüllt. Ein paar der Asylbewerber verfolgen die Montage interessiert und warten auf Gelegenheit, helfend hinzuzuspringen. Blitzschnell steht eine Guckkastenbühne, die schon unbespielt neugierig macht.
„Meine Konstruktion“, sagt Jan Holten. „Klein, aber transportabel.“ Die jungen Schauspieler wollen im Frühjahr schließlich mit der Bühne auf den Markt ziehen und zeigen, was sie bewegt. ‚Theater im strukturschwachen Raum‘ wächst hier. Mehr als lustiges Kostümtheater. Eines, das sich mit dem auseinandersetzt, was die zwei Quadratmeter Bühne umgibt. Die nicht ganz einfachen Lebensverhältnisse der Mitspieler. Zu Hause, in der Schule. In einer Gegend, die oft abgeschnitten scheint. „Rubens hat heute Theaterverbot wegen ´ner schlechten Zensur“, erzählt Emma (9). Jemand anders darf nicht, ‚wegen der Ausländer‘, die sich hier ‚herumdrücken‘, begründen die Eltern. Jan Holten hat es also gar nicht so leicht, seine Truppe zusammen zu kriegen. Separaten Proberaum gibt es auch nicht. Die Proben laufen sprichwörtlich in Bahnhofsatmosphäre.