Der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, und der frühere EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sorgen sich um die Demokratie in Europa. Die europäische Idee habe dem alten Kontinent die längste Friedens- und Wohlstandsperiode der Geschichte gebracht, sei aber heute bedroht, sagte Schulz am Montagabend in Aachen. Die “illiberale Demokratie” Viktor Orbans in Ungarn sei “respektlos, würdelos und intolerant”.
Der AfD warf Schulz bei einem Vortrag und Podium im Aachener Dom vor, die von ihr angestrebte Abschaffung des Euro führe zur Zerstörung der ökonomischen Basis Deutschlands. “Möglicherweise wird irgendwann der Punkt erreicht, an dem wir unsere Prinzipien nach innen und außen verteidigen müssen.”
Juncker bedauerte, dass der Kanon der europäischen Grundwerte in Polen und Ungarn nur mangelhaft respektiert werde. “Wir haben sie nicht gezwungen, Mitglieder zu werden.” Schulz warnte aber davor, “schräge Regierungen” mit ihren Völkern gleichzusetzen. Stattdessen komme es darauf an, die Opposition in diesen Ländern zu ermutigen. Beide Politiker sprachen auf Einladung der Europäischen Stiftung Aachener Dom (ESAD) über das Thema “Europäische Werte – Schönfärberei oder Realität?”
Juncker führte aus, er glaube nicht, dass die europäische Demokratie durch rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien gefährdet sei, wenn man einige Fehler nicht mache. “Man vertreibt sie nicht dadurch, dass man ihnen nachläuft, sondern dadurch, dass man sich ihnen in den Weg stellt.” Schulz ergänzte, der Zulauf für die AfD in Deutschland sei durch eine “tiefe Verunsicherung” zu erklären. “Die großen Vereinfacher haben Hochkonjunktur, und deshalb müssen wir in der Kommunikation von Problemlösungen viel offensiver werden.”
Mit Blick auf die von Russland angegriffene Ukraine sagte Schulz, sie habe Anspruch auf volle Solidarität. Aber man müsse nicht jede ihrer Forderungen übernehmen. Juncker rief dazu auf, dagegen zu halten, wenn die Zustimmung zur Unterstützung der Ukraine in der EU abnehme. Der Friede sei keineswegs selbstverständlich, sondern bedroht.
Zur Flüchtlingspolitik sagte der frühere Kommissionspräsident: “Wir sollten alle, die aus guten Gründen nach Europa flüchten, genauso gut behandeln wie die Ukrainer.” Schulz plädierte für ein modernes Einwanderungsrecht mit Quoten. “Wir werden die Probleme in der Migrations- und Asylpolitik nicht in den Griff bekommen, wenn die meisten EU-Mitglieder sie nur als italienisch-griechisch-deutsches Problem betrachten.”