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Judenhass an Unis – Ruf nach “bildungspolitischer Zeitenwende”

Ihnen reicht’s: Mit scharfen Worten haben Vertretungen von Studierenden grassierenden Antisemitismus an Unis angeprangert. Sie sprechen von extremistischen Kommilitonen – und fordern die Möglichkeit der Exmatrikulation.

Anti-israelische Demos, niedergebrüllte Veranstaltungen, Übergriffe: Angesichts von Antisemitismus auch an deutschen Hochschulen haben Studierendenvertretungen eine “bildungspolitische Zeitenwende” gefordert.

Es müsse damit eine “konsequente Politik gegen extremistische Strömungen innerhalb deutscher Universitäten” verbunden sein, erklärten der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) am Wochenende in Berlin. “Hierbei muss es auch möglich sein, extremistische Studenten zu exmatrikulieren oder entsprechendes Personal zu entlassen.” Insgesamt seien Universitätsleitungen und Kultusministerien gefragt.

“Ausschlüsse demokratischer Mitstreiter von Veranstaltungen, Gegendemonstrationen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen, sowie körperliche Angriffe auf jüdische Studenten prägen den Alltag des Diskurses an Universitäten”, hieß es. Eine freie Debattenkultur lebe von Demokraten – “Antidemokraten, egal welcher politischen Gesinnung, zerstören diese”.

Der RCDS-Bundesvorsitzende Lukas Honemann sieht ein Zeichen einer sterbenden Demokratie, wenn man politische Mitbewerber als Feinde betrachte und alle institutionellen Mittel ausnutze, um ihnen zu schaden. “Wir erleben gerade Cancel-Culture statt Diskurs, Redeverbot statt Meinungsfreiheit.”

JSUD-Vizepräsident Noam Petri betonte, es handele sich um kein “jüdisches Partikularinteresse”: “Diese Extremisten missbrauchen die Meinungsfreiheit, um ihre antisemitische und anti-westliche Propaganda zu verbreiten. Gegenstimmen werden pauschal als ‘rechtsextrem’ beleidigt oder gleich ausgeschlossen.”

Zuletzt hatten Vorfälle an der Freien Universität (FU) und der Universität der Künste (UdK), beide in Berlin, für Aufsehen gesorgt. Aber auch andere Hochschulen waren nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober in den Schlagzeilen. Studierende berichteten immer wieder, sie trauten sich aus Angst teilweise nicht mehr in die Unis. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte mehrfach gemahnt, dass Hochschulen keine “No-go-Areas” sein dürften.

Hinzu kam ein Angriff auf einen jüdischen FU-Studenten auf einer Straße in Berlin-Mitte. Die FU erließ am Freitag ein Hausverbot gegen den Tatverdächtigen. Es gilt demnach für drei Monate auf dem gesamten Campus und kann verlängert werden. Laut Hochschule ist eine Exmatrikulation aus Ordnungsgründen nicht möglich. Es wurden zuletzt vermehrt Rufe laut, solche Regelungen zu verändern.

Vor gut einer Woche war der jüdischer Student mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gebracht worden. Ein propalästinensischer Kommilitone soll ihn auf einer Straße in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben. Die Staatsanwaltschaft geht von einem antisemitischen Hintergrund aus. FU-Präsident Günter M. Ziegler hatte im Namen der Hochschule den Angriff auf das Schärfste verurteilt.

Die Mutter des Angegriffenen, Bruder von Satiriker Shahak Shapira, sagte der “Mitteldeutschen Zeitung” (Samstag), Ziegler und die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) stünden exemplarisch für deutsches “Systemversagen” im Kampf gegen Antisemitismus.

Lehrende und Mitarbeitende der UdK hatten jüngst eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie sich gegen Antisemitismus stellen. UdK-Präsident Norbert Palz kritisierte jetzt im “Tagesspiegel” eine starke Polarisierung an seiner Hochschule.