“Joana Mallwitz – Momentum” ist ein dokumentarisches Porträt der Dirigentin Joana Mallwitz, die seit 2023 künstlerische Leiterin des Konzerthausorchesters in Berlin ist.
Joana Mallwitz ist eine der erfolgreichsten Dirigentinnen und die einzige prominente aus Deutschland. Zielstrebig hat sich die Künstlerin den Weg nach oben gebahnt. Der Durchbruch gelang am Staatstheater Nürnberg, an dem sie 2018 Generalmusikdirektorin wurde. Ein Jahr später ernannte eine Fachzeitschrift sie zur Dirigentin des Jahres.
Filmemacher Günter Atteln hatte den richtigen Riecher für den Hype um die Senkrechtstarterin, zumal die 38 Jahre alte Kapellmeisterin im Zuge ihres bevorstehenden Debüts bei den Berliner Philharmonikern und den Spekulationen darüber, ob sie zur Generalmusikdirektorin an der Bayerischen Staatsoper avancieren könnte, in der Musikwelt zum Tagesgespräch geworden ist. Auch hat die Zahl an Dirigentinnen rasant zugenommen. Das Porträt kommt zur richtigen Zeit ins Kino. Mit Paul Smaczny, den Atteln als Produzent gewinnen konnte, hat der Filmemacher schon zusammengearbeitet.
“Joana Mallwitz – Momentum” begleitet die Musikerin bei ihrem Wechsel von Nürnberg nach Berlin zwischen Proben, Konzerten, Presseterminen, Interviews, Begegnungen mit Freunden, Weggefährten und ihrem privaten Alltag. Einen dramaturgischen Faden gibt es nicht; die Auslese der montierten Szenen wirkt oft recht beliebig.
Man erfährt ein bisschen von allem über sie: dass sie eigentlich ein scheuer Mensch ist, der sich nicht gerne der Öffentlichkeit präsentiert und unter großem Lampenfieber leidet. Aber auch, dass sie keineswegs nur für ihre Kunst lebt, sondern ihrem kleinen Sohn eine gute Mutter sein will.
Eigentlich nerven Mallwitz die immer gleichen Fragen nach ihrem Erfolg in einem lange Zeit von Männern dominierten Beruf. Sie will nicht von einem Frauen-Bonus zehren, sondern allein für ihre Arbeit beurteilt werden. Und sie hat Recht darin, dass erst dann eine Gleichheit zwischen Frauen und Männern besteht, wenn das Geschlecht bei der Beurteilung keine Rolle mehr spielt. Ein bisschen scheint Mallwitz darüber allerdings zu vergessen, wie mühsam es sich die Pionierinnen ertrotzen mussten, gegen den Widerstand patriarchaler Gesellschaften mit dem Taktstock vor ein Orchester zu treten.
Mallwitz sagt auf die Frage einer Journalistin, wie sie Karriere und Familie unter einen Hut bekomme, nur einen Satz: Man brauche ein gutes Team. In erster Linie ist damit wohl Ehemann Simon Bode gemeint, der als Sänger vor der Herausforderung steht, seinen eigenen vollen Terminkalender mit dem seiner Frau abzustimmen und seine Rolle als Vater ernst zu nehmen.
Der Künstlerin Mallwitz kommt Atteln dann am nächsten, wenn sie zerlesene Partituren, die sie schon mehrfach studiert hat, mit neuen Eintragungen durcharbeitet, über Kompositionen grübelt oder mit sich kritisch ins Gericht geht. In solchen Momenten vermittelt sich Mallwitz’ großer Respekt vor der Musik.
Insbesondere ihre Beschäftigung mit Franz Schuberts Sinfonie in h-moll findet kein Ende. Dieses geniale Werk habe den Ausschlag gegeben, Dirigentin werden zu wollen, sagt sie. Immer noch rätselt Mallwitz darüber, wie es Schubert geschafft habe, das Jenseits in die Musik zu bringen. Ihre Interpretation des ersten Satzes, in der die Kapellmeisterin in einem kurzen Konzertausschnitt zu erleben ist, enttäuscht dann aber, gemessen an ihrer Analyse: Der Anfang tönt wenig geheimnisvoll und fast schon ein bisschen zu laut. Zudem geht Mallwitz das Stück in einem irritierend schnellen Tempo an.
Insofern mag sich die musikalisch vorgebildete Zuschauerin fragen, welche Qualitäten Mallwitz als Dirigentin auszeichnen. Der Film weiß darauf keine Antwort; er sucht sie allerdings auch nicht. Das liegt vor allem daran, dass Atteln keinen Blick von außen zulässt. Sowohl vor der Kamera als auch aus dem Off redet nur Mallwitz. Nicht einer der zahlreichen Orchestermusiker kommt zu Wort.
Schade ist auch, dass sich Atteln die Chance entgehen ließ, den Pianisten Igor Levit nach Mallwitz’ Markenzeichen zu fragen. In einer Kantine in Amsterdam tauschen sich die beiden über ihre Unsicherheiten und Zweifel an ihrer künstlerischen Arbeit aus. Der kurze Auftritt des Startenors Rolando Villazon, der sich lediglich in oberflächliches Schwärmen ergeht, erscheint entbehrlich.