Rüschenkleider, bunte Haare und fantasievoller Schmuck: Am Wochenende werden die Hamburger Messehallen zum Treffpunkt für Fans von japanischer Popkultur. Dann findet dort die Polaris Convention statt. Und zu der gehört auch, sich wie seine Lieblingsfigur aus Spielen, Filmen oder Comics zu kleiden.
Die Polaris ist laut Veranstalter Super Crowd die am schnellsten wachsende Popkultur-Convention in Europa. Nachdem schon 2024 mehr als 40.000 Besuchende in die Hamburger Messehallen gekommen sind, werden vom 10. bis 12. Oktober rund 50.000 Fans erwartet. Dafür wird eine zusätzliche Halle bezogen, das Gelände wächst auf etwa 30.000 Quadratmeter.
Auch wenn Internetgrößen wie PietSmiet oder DoktorFroid dort auftreten und neue Videogames und Tabletopspiele vorgestellt werden, ist die Veranstaltung vor allem eins: eine große Feier japanischer Popkultur. Verlage stellen die neuen Manga-Comics vor und bewerben Anime-Filme. Es gibt den Cosplay-Contest, bei dem Menschen in mühevoller Kleinarbeit hergestellte Kostüme anziehen und als Wesen aus japanischen Spielen oder Mangas auftreten.
Was vor ein paar Jahren noch wenige Menschen interessierte, ist inzwischen eine große Bewegung. Das hat Auswirkungen bis in die Universitäten hinein: „Die Mehrheit der Studierenden, die bei uns neu anfangen, sind durch Manga, Anime und Gaming zum ersten Mal mit japanischer Kultur in Berührung gekommen“, sagt Kerstin Fooken. Sie ist Juniorprofessorin in der Abteilung für Sprache und Kultur Japans der Universität Hamburg. Ihr Schwerpunkt liegt bei japanischer Popkultur. „Viele von ihnen haben sich aus Begeisterung über diese Medien Grundlagen der Sprache selbst beigebracht.“
Manga und Anime sind in Japan Alltagskultur. „Das liegt auch daran, dass es schon lange Bildergeschichten gab“, sagt Fooken. Der durch seine Welle und Fuji-Bilder berühmt gewordenen Maler Katsushika Hokusai habe bereits im 19. Jahrhundert mit Bildern aus dem Alltag des heutigen Tokio erzählt. „Damit steht Japan nicht allein da, das gab es auch in anderen Ländern“, ergänzt sie. Doch nirgendwo scheint es weiter verbreitet als in den ostasiatischen Ländern.
In Japan gibt es gezeichnete Geschichten für alle Altersstufen. Mangas begeistern Kinder, aber auch Büroarbeiter haben eigene Regale in den Manga-Buchhandlungen, die in Tokio schon mal kaufhausgroß sind. „Es gibt Mangas für alte Leute, für Mädchen, für Jungs, für Hausfrauen und auch als Restaurantführer“, sagt Fooken. Jedes Postamt, jede Baustelle hat ihre eigene Maskottchenfigur, die Dinge erklärt oder vor Gefahren warnt. „Japan ist sehr visuell“, ergänzt sie auch mit Blick auf die Schriftzeichen, die viel mehr Zeichnung sind als lateinische Buchstaben.
Auch in den Filmen ist das zu sehen: Die wohl bekanntesten japanischen Filme in Deutschland stammen vom Studio Ghibli, sind Auseinandersetzungen mit dem Wesen der Menschen, loten das Verhältnis von Natur und Technik aus und erzählen dabei zauberhafte Geschichten. „Einer der ersten in Deutschland wirklich bekannt gewordenen Animes ist übrigens ‚Heidi‘“, sagt Fooken mit einem Lachen. Die Serie wurde in den 1970er Jahren genau wie Biene Maja in einem japanischen Studio produziert.
Den Siegeszug der Mangas haben die Fans auch einem Projekt der japanischen Regierung zu verdanken: Die setzte nach der großen Wirtschaftskrise in den 1990er Jahren auf den Export von Kulturgütern, erklärt die Wissenschaftlerin. „Sie hat zum Beispiel internationale Netzwerke für die Vermarktung von Populärkultur geschaffen und die ‚Cool Japan‘ Initiative gestartet, die das Image des Landes bis heute prägt.“ Und hat es so geschafft, dass auch in Deutschland Jugendliche wieder zu Büchern greifen, sich das Nähen von Kostümen beibringen oder Veranstaltungen wie die Polaris immer größer werden.