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Jahreswechsel mit Hoffnung – Schon kleine Schritte wirken

Genug vom Trubel der Welt? Das Jahresende kann eine Gelegenheit zum Durchatmen bieten. Wer jetzt mit kleinen Übungen beginnt, findet vielleicht auch im Alltag mehr Halt. Das zeigen ganz unterschiedliche Ideen.

Kennen Sie das? Ein Nachrichtenschnipsel im Netz droht Sie ernsthaft zu verstören: schon wieder Trump, Krieg in Europa, weltweit Hunger und Vertreibung. Schnell weiterscrollen – ein Katzenvideo ansehen, einem Freund schreiben oder Adventsdeko bestellen. Doch ein dumpfes Gefühl von Ohnmacht, von “Ratlosigkeit, Angst, Wut und Enttäuschung, Lähmung” bleibt mitunter zurück: So schildert der Schriftsteller Daniel Schreiber die “umfassende Desillusionierung”, die viele Menschen beim Blick in die Welt empfinden.

Allerdings: Gerade deshalb sei es nicht naiv, über “politische Ideen von Liebe” nachzudenken, wie der Autor es in seinem Essay “Liebe!” tut. “Die Lösung fängt immer im Kleinen an”, schreibt er. Nächstenliebe, Anstand und Empathie könnten ansteckend wirken – auf Nachbarinnen, Freunde, Bekannte, Kolleginnen, politische Gegner, Fremde.

Dazu gehört für den Philosophen Martin Bartenberger ein ordentlicher Schuss Pragmatismus. Erlernen lasse er sich durch ausprobieren, sagte Bartenberger kürzlich der Zeitschrift “Psychologie Heute”. Wer dies akzeptiere, könne auch in Krisenmomenten zuversichtlich und handlungsfähig bleiben. “Wir sollten versuchen, offen zu bleiben, falls nötig den eingeschlagenen Kurs korrigieren und darauf vertrauen, dass wir dadurch unsere Situation verbessern können.”

Ein alltägliches Beispiel: Man halte es für eine gute Idee, “mit unseren Kindern am Nachmittag in den Zoo zu fahren. Doch schon auf dem Weg dorthin merken wir, dass die Kinder müde und schlecht gelaunt und wir selbst auch ziemlich geschlaucht sind. Wir brechen den Versuch, zum Zoo zu fahren, also ab und fahren stattdessen zu unserer nahegelegenen Lieblingseisdiele.” Dann sei aus dem Zoobesuch zwar nichts geworden, so Bartenberger. “Aber weil wir unseren ursprünglichen Plan nicht auf Biegen und Brechen durchgezogen haben, haben wir doch noch einen schönen Nachmittag verbracht.”

Die Coachin Vivian Mary Pudelko wirbt zudem dafür, Verletzlichkeit zuzulassen. Sie sei “ein verlässlicher Begleiter in unserem Leben – eben nicht nur in Krisensituationen oder außergewöhnlichen Momenten”. Gleichzeitig gelte es, das im Blick zu behalten, das gut und heil sei – gerade weil Stress und Verluste sich nicht vermeiden ließen. Hilfreich sei zudem die Erkenntnis: “Wir sind nicht allein, auch wenn es sich oft danach anfühlt.” Wer sich dies vor Augen halte, könne leichter “darauf vertrauen, dass wir am Leben wachsen und reifen können”, schreibt sie in ihrem Ratgeber “Kann ich das?”.

Die Trauerrednerin Louise Brown wiederum hat festgestellt, dass das Leben nicht so schlecht ist, wie man manchmal glaube. In ihrem Buch “Zuversicht. Von den kleinen Wundern des Lebens” schildert sie, dass sie damit begonnen habe, sich alles Gute in ihrem Alltag auf kleine Zettel zu schreiben. Das Resultat: Mit jeder Notiz erfahre sie einen kleinen Auftrieb – der auch dann noch nachwirke, wenn sich der Alltag wieder zuziehe.

Seitdem sie damit begonnen habe, Schönes und Positives festzuhalten, fielen ihr immer mehr Dinge ein, die sie berührt hätten. “Und auch das ist mir durch diese Übung deutlich geworden”, schreibt Brown: “dass ich mich scheinbar öfter am Tag freue, als ich es vermutet hatte.” Für sie sei diese Erfahrung, als ob sie mit den kleinen Notizen eine Brille aufgesetzt bekommen habe, die sie erst erkennen lasse, was ihr im Alltag alles Freude schenke.

Bewusstes nach Innen schauen und sich in Dankbarkeit üben, anstatt sich vom Lärm im Außen treiben zu lassen, dazu rät auch der Benediktinerpater Anselm Grün. “Viele feiern den Jahreswechsel mit Lärm”, sagt er. Lärm komme vom italienischen Wort “all’arme”, zu Deutsch: zu den Waffen. “Wir wollen uns im Lärm schützen vor den Gedanken, die da in uns auftauchen”, erklärt der Benediktinerpater im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Doch das ist ein Verdrängen. Zum Jahreswechsel sollten wir bewusst innehalten und dankbar auf das vergangene Jahr schauen, um dann voller Hoffnung in das neue Jahr gehen zu können.”

Einen ganz praktischen Tipp für die ruhigere Zeit am Jahresende hat Holger Pils, Leiter des Lyrik Kabinetts in München. Er ist sich sicher, dass das Lesen von Gedichten trösten kann – auch wenn einem das eigene Dasein zu schaffen macht: “Sie können Halt geben – für den Moment oder fürs Leben. Häufig werden Dinge ausgedrückt, die einen ansprechen, weil man sich mit ihnen identifizieren kann. Etwas, das man gesehen oder gefühlt hat, aber sprachlich noch nie so denken konnte.”