Zwei römische Soldaten packen Jesus, reißen ihm sein Gewand herunter und binden ihn an einen Pfahl. Einer der Männer holt aus und schlägt mit einer Peitsche zu. Fester als geplant. Ein Regisseur mit einem Klemmbrett in der Hand unterbricht die Folter. Denn eigentlich sollte der Soldat gar nicht richtig treffen. Und eigentlich ist dort nicht Jesus an einen Pfahl gebunden, sondern ein junger Mann mit Namen Salvatore Caputo. Der 20-Jährige ist der Hauptdarsteller bei den Passionsspielen der Italienischen Katholischen Mission in Köln. Alljährlich wird im Stadtteil Kalk an Karfreitag der Leidensweg Jesu bis zu seinem Tod am Kreuz nachgespielt. Bis zu 3.000 Menschen schauen dabei zu.
Das kleine Missgeschick bei der diesjährigen Generalprobe ist schnell vergessen, die Probe läuft weiter. Die Darsteller sind mit Ernst bei der Sache. Sie alle sind Teil einer Tradition, die schon in den sechziger Jahren in Köln begann. “Die Spiele wurden von den Italienern aus Sizilien mitgebracht. Dort wird in jedem Dorf eine Passion aufgeführt”, erklärt Co-Regisseur Alfredo Franzone. Der 25-Jährige leitet die Probe gemeinsam mit Spielleiter Giuseppe D’Avolio. Insgesamt wirken bis zu 70 Menschen mit – als Darsteller, in der Logistik oder bei Herstellung und Pflege der Kostüme.
Viele junge Leute sind bei Passionsspielen dabei
Jesus-Darsteller Salvatore Caputo beteiligt sich bereits, seit er klein ist. Jesus liegt bei ihm in der Familie – vor ihm spielte sein Bruder Angelo zehn Jahre lang Gottes Sohn. Für viele der Mitwirkenden sind die Spiele Familiensache und Tradition. Salvatore Caputo spielt hier gemeinsam mit Freunden und Verwandten, mit denen er zusammen zur Kirche gegangen und katholisch aufgewachsen ist. Sich dann auch zu engagieren, sei ein Selbstläufer.
Außerdem beeinträchtigten die vielen Skandale, die vor allem die katholische Kirche in Deutschland erschüttern, das Leben ausländischer Gemeinden weniger, sagt Regisseur Franzone. “Wir konzentrieren uns mehr auf die Gemeinschaft und den gemeinsamen Glauben”, so der Jurist in Promotion. Die Passionsspiele seien eine gute Möglichkeit, diese Gemeinschaft und die Traditionen der italienischen Heimat zu erfahren. Das komme auch bei der Jugend an, selbst wenn man etwa bei den Firmlingen ab und zu mal nachhelfen müsse, lacht Alfredo. Mit rund 70 Jugendlichen in der Firmvorbereitung hat die Gemeinde eine hohe Nachfrage nach Firmkatechese.
Jacek Styrczula: “Die Menschen haben hier ihren religiösen Mittelpunkt”
Das Engagement ist auch dem zuständigen Priester Jacek Styrczula aufgefallen. Er betreut die zwölf italienischsprachigen Gemeinden in und um Köln seit Anfang März. “Wenn ich die Leute beobachte, wie engagiert sie proben, wie die Kostüme gestaltet sind, dann sehe ich, das kann nicht nur bloße Tradition sein, weil sich das so gehört, sondern das ist eine Herzenssache.” Generell sei das italienische Gemeindeleben sehr aktiv. Neben der Gruppe für die Passionsspiele gebe es etwa die Künstlergruppe “Artisti di Dio” sowie Gebetsrunden und soziale Projekte. “Man spürt, die Menschen haben hier ihren religiösen Mittelpunkt”, freut sich der Priester.
Der enge Bezug zur Kirche scheint typisch italienisch. Trotzdem sei die “Passione Vivente”, die lebendige Passion, natürlich für alle da, erklärt Regisseur Franzone. Die Darsteller haben alle italienische Wurzeln und die Aufführung läuft in italienischer Sprache. Aber es gebe eine Übersetzung und alle seien herzlich eingeladen, die Prozession von der Kalker Kirche Sankt Joseph zur Marienkirche zu begleiten. Am Karfreitag dann hoffentlich ohne zu feste Peitschenschläge.