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Ist das die Strafe Gottes?

Unglücke und Katastrophen. Zwei Weltkriege. Der Fall der Mauer. Freud und Leid. Hat Gott da seine Hände im Spiel? Eine uralte Frage taucht wieder auf. Was soll man darauf antworten?

Ein Virus legt weltweit das Leben lahm. Gluthitze von bis zu 50 Grad Celsius versengt Nordamerika. Und in Deutschland verschlingen Sturzfluten Häuser und Menschen.

Ist das die Strafe Gottes?

Man mag diese Frage für längst überholt halten. Doch jetzt wird sie wieder gestellt. Auch in Leserbriefen an diese Zeitung. Das Entsetzen über die Schäden und das Leid, die nicht mehr nur in fernen Ländern stattfinden, sondern sich mit der Flutkatastrophe vor der eigenen Haustür abspielen, wird seinen Anteil daran haben. Der Mensch sucht Erklärungen für das Unfassbare.

Also: Sind Tod und Zerstörung, Leid und Qual die Strafe Gottes? Eine allerletzte Warnung?

Nein, sagen die Theologinnen und Theologen unserer Tage in seltener Einmütigkeit. So einfach läuft es im Leben nicht. Man kann nicht einfach sagen: Wenn der Mensch sich ordentlich verhält, geht es ihm gut; trifft ihn Leid, dann muss er sich wohl falsch verhalten haben – die Theologie nennt das „Tun-Ergehens-Zusammenhang“. Dieser Zusammenhang lässt sich, wenn man die Bibel im Gesamtzusammenhang liest und versteht, in dieser Zuspitzung nicht aufrechterhalten. Jesus selbst lehnt diese Vorstellung im Lukas-Evangelium mit dem Verweis auf die Geschichte vom Turm zu Siloah ausdrücklich ab (Lukas 13,4).

Denn was würde das bedeuten? Unglück und Katastrophen. Zwei Weltkriege. Der Fall der Mauer. Genesung von einer schweren Krankheit. Tod auf dem Nachhauseweg. Wo hatte Gott da seine Hände im Spiel? Warum lässt er das eine Mal großes Leid zu, das andere Mal bewahrt er davor? Warum straft er meinen Nachbarn, aber nicht mich? Egal, wie man es dreht und wendet: Gottes Wirken bleibt verborgen. Es verschließt sich menschlicher Erkenntnis.

Und dennoch gibt es einen Tun-Ergehens-Zusammenhang. Vielleicht nicht vor Gott. Aber er ist da.

Denn das, was der Mensch tut, hat Folgen. Die Gluthitze. Das Hochwasser. Die Stürme. Sie kommen ja nicht von ungefähr. Seit Jahren warnen Fachleute mit drängender Stimme: Stoppt den Klimawandel, sonst schlägt die Natur zurück! Aber solange das Eis an fernen Gletschern schmilzt oder das Wasser  nur pazifischen Inselstaaten bis zum Hals steht, lässt uns die Erderwärmung seltsam kalt. Wir kapieren nicht, welche Zusammenhänge da bestehen. Oder wir wollen es nicht kapieren.

Und jetzt erleben wir die Folgen.

Die Familie, deren Haus vom Wasser weggerissen wurde; der Mensch, der in den Fluten verschwand – sie als Einzelne haben keine Schuld auf sich geladen. Jedenfalls nicht mehr oder weniger als du oder ich. Aber wir als System, als Gesellschaft, als Menschheit – wir fordern das Unglück geradezu heraus.

Das mag herzlos klingen angesichts des Leides und der Schäden; hier, jetzt. In unserer Nachbarschaft. Unser Mitgefühl muss bei den Leidtragenden sein, genauso wie unsere Hilfs- und Spendenbereitschaft. Wir müssen beistehen, helfen, trösten.

Aber: Wenn wir zukünftige Katastrophen verhindern wollen, dürfen wir dabei nicht stehen bleiben.„Ändert euren Sinn!“ Dieser Ruf zur Umkehr hallt durch die gesamte Bibel. Wenn wir klug sind, hören wir auf ihn.

Noch einmal: Straft Gott uns mit den Katastrophen? Gegenfrage: Warum sollte er das? Wenn wir Menschen doch allesamt schon selbst genug dafür tun.