MÜNSTER – Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide hat Politik und Islam-Verbände dazu aufgefordert, nach Modellen für eine akademisch basierte Imam-Ausbildung in Deutschland zu suchen. „Der Job als Imam ist für die meisten Studierenden nicht so attraktiv, wie er derzeit gestaltet ist", sagte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster. „Wir brauchen neue Modelle, bei denen es nicht nur darum geht, am Freitag die Predigt zu halten oder vorzubeten", ergänzte der Professor. Man müsse die Tätigkeit mit seelsorgerlicher Arbeit verknüpfen.
Khorchide erklärte, noch gebe es für Akademiker keine praktische Ausbildung zum klassischen Seelsorger für muslimische Gemeinden, wie sie in den Kirchen etwa über das ans Studium anschließende Vikariat oder Priesterseminar geschieht. Islamische Verbände hätten eigene Ausbildungsinstitutionen. Der eng mit der Türkei verbundene Verband Ditib, der in Deutschland die meisten Imame beschäftigt, greife auf in der Türkei ausgebildete Geistliche zurück.
Khorchide, der zu den bekanntesten Islam-Gelehrten in Deutschland gehört und eine liberale Auslegung vertritt, sagte, hier stelle sich „grundsätzlich die Frage, inwieweit die Verbände bei der Ausbildung mit den Lehrstühlen kooperieren wollen" und erklärte die Bereitschaft seines Instituts zur Kooperation.
Khorchide unterstrich die Bedeutung einer akademischen Ausbildung: „Sie bietet eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Strömungen des Islam, was bei einer Ausbildung in einer Moscheegemeinde in der Regel nicht der Fall ist." Im Studium kämen außerdem Elemente hinzu, die Lebenswirklichkeit und Geschichte der Menschen in Europa vermitteln. „Wenn die Ausbildung das nicht berücksichtigt, haben wir Imame, die den Islam nicht im Kontext der Lebenswirklichkeiten reflektieren“, sagte er.
Khorchide rechnet für 2017 mit den ersten Absolventen der Studiengänge für islamische Theologie. Wesentlich beliebter als das Theologiestudium ist derzeit das Lehramtsstudium für islamischen Religionsunterricht. Von den Theologie-Studenten will nur eine Minderheit Imam werden. Viele wollten an der Uni bleibe oder strebten Beratertätigkeiten an, so Khorchide. Darunter seien auch viele Frauen, „für die der Beruf des Imams ohnehin nicht infrage kommt“. epd
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Islam im Kontext der Lebenswirklichkeit
Islam-Professor plädiert für eine akademische Ausbildung muslimischer Geistlicher