Von Ulrich Hutter-Wolandt
Volkstrauertag – ein Sonntag innerhalb der Friedensdekade. Erinnerungen kommen uns an diesem Tag ins Gedächtnis, Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg mit seinen über 50 Millionen Toten, an die sinnlose Zerstörung von Städten in Deutschland und auch an die über zwei Millionen, die auf der Flucht oder durch die Vertreibung aus ihrer geliebten Heimat starben. Und dann sehe ich die Kohlezeichnung von Käthe Kollwitz: „Nie wieder Krieg!“ Diese Zeichnung, 1924 entstanden, konfrontiert mich mit der Frage: Wollen die Menschen überhaupt aus ihrer Geschichte lernen? Auch wenn es in unserem Land seit fast 70 Jahren keinen Krieg mehr gegeben hat, erleben wir doch, dass deutsche Soldaten, manchmal kaum älter als 20 Jahre, in den Kriegsgebieten, in denen die Bundeswehr im Einsatz ist, ihr Leben lassen. Viele kommen mit unterschiedlichen Erwartungen in den Gottesdienst am Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, der auch als Volkstrauertag begangen wird. Der eine sucht Hilfe, ein anderer eher Besinnung und wieder ein anderer wünscht sich aufbauende Gedanken. Wie lassen sich diese Erwartungen und vielleicht auch Schwierigkeiten mit diesem Sonntag lösen? Paulus mutet uns recht fremde Gedanken im Predigtwort aus dem 2. Korintherbrief zu: „Irdische Zeltwohnung“, „Haus in den Himmeln“, „mit einer himmlischen Behausung überkleidet werden“, „fern vom Herrn auf der Wanderung“, „wir haben aber Lust, den Leib zu verlassen“. Die Jugendlichen werden jetzt fragen: Was meint denn Paulus damit? Wer von uns lebt denn noch im Zelt? Bestenfalls kommt so etwas noch im Urlaub an der Ostsee, bei einer Jugendfreizeit oder auf dem Campingplatz vor, dass wir für eine begrenzte Zeit im Zelt leben. Wir sind doch sehr sesshaft. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Predigttext mit unserem Leben wenig zu tun hat.
Doch meint Paulus nicht mit „Zeltwohnung“ genau das – dass ich meine Zelte jederzeit abbrechen kann? Er macht im 2. Korintherbrief deutlich, dass wir uns nicht vom Glanz dieser Welt blenden lassen sollen. Wovon lebten die Menschen damals nach dem Krieg? Von dem, was sie an Geld und Besitz hatten? Von dem, was sie zu essen hatten? Heute ist für viele Zeitgenossen der Besitz zum einzigen Lebensinhalt geworden. (…)
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Predigttext am Vorletzten Sonntag im Kirchenjahr: 2. Korinther 5,1–10 (in Auszügen)
1 Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. 2 Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, 4 Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben. 5 Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat. 8 Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn.