Narges Mohammadi wurde immer wieder verhaftet – und kämpft noch aus dem Gefängnis für Freiheit und Demokratie im Iran. Am Freitag würdigte das Nobelkomitee ihren Mut mit der wohl höchsten politischen Auszeichnung.
Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die inhaftierte Menschenrechtsaktivistin und Frauenrechtlerin Narges Mohammadi ist ein großer Moment für die aktuelle Protestbewegung im Iran. Und eine Anklage des iranischen Regimes vor aller Welt. Vor allem aber ehrte das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo mit Mohammadi eine Freiheitskämpferin, die immer wieder den Terror der Regierung erleiden musste und trotzdem nicht gebrochen werden kann: Noch aus dem Gefängnis setzt sie ihren Kampf fort, unterstützte die seit einem Jahr andauernden Proteste gegen den Polizeistaat und ließ Berichte über Folter und sexuelle Übergriffe an Häftlingen aus dem berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis an die Öffentlichkeit bringen.
“Frau, Leben, Freiheit” – das Motto der Revolte, die vor gut einem Jahr im Iran aufflammte, stehe auch für den mutigen Einsatz der Preisträgerin, sagte die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen. Mohammadi kämpfe seit Jahren dafür, dass Frauen in Würde leben könnten, für die Freiheit des Wortes und der ganzen iranischen Gesellschaft, für Demokratie. Dafür sei sie 13 mal verhaftet und fünfmal verurteilt worden, zu 31 Jahren Gefängnis und sogar 154 Peitschenhieben, hob Reiss-Andersen den enormen Preis hervor, den Mohammadi für ihren Einsatz bisher in Kauf genommen hat.
Die heute 51-jährige Mutter von zwei Kindern schloss sich als junge Ingenieurin dem Kampf gegen die Unterdrückung und Frauendiskriminierung in dem islamischen “Gottesstaat” an. 2003 trat sie dem Teheraner “Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte” bei, deren stellvertretende Vorsitzende sie ist. 2011 erstmals verhaftet, widmete sie sich später besonders dem Kampf gegen die Todesstrafe in dem Mullah-Staat, der zu den Ländern mit den meisten Hinrichtungen zählt.
Seit 2021 befindet sich Mohammadi wegen “staatsfeindlicher Propaganda” wieder in Haft – und wurde gerade deshalb eine der Symbolfiguren bei den Protesten, die nach dem Tod der jungen Mahsa Amini in Polizeigewahrsam am 16. September 2022 – sie soll gegen die Kopftuchpflicht verstoßen haben – das ganze Land erfassten.
Mehr als 500 Menschen seien seitdem vom Regime getötet und Tausende verletzt worden, sagte Reiss-Andersen am Freitag mit Blick auf die größten Demonstrationen seit der iranischen Revolution 1979. “Der Friedensnobelpreis ist eine Anerkennung für die ganze Bewegung im Iran. Wir hoffen, dass er eine Ermutigung ist, die Arbeit fortzusetzen.”
Auch wenn Polizei und Schlägertrupps die Proteste bis heute eingedämmt haben, dürfte die wichtigste politische Auszeichnung der Welt für eine Regimegegnerin gerade bei den aufbegehrenden iranischen Frauen als Ansporn verstanden werden. Mohammadi selbst appellierte Ende 2022 in ihrem herausgeschmuggelten Bericht über die unmenschlichen Zustände im Gefängnis an den Mut der Aktivistinnen: “Je mehr sie von uns einsperren, desto stärker werden wir.”
Vor der Preisverleihung waren auch die Klimabewegung “Fridays for Future” und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als aussichtsreiche Kandidaten gehandelt worden. Dass die Jury nun ein globales Schlaglicht auf die Frauenunterdrückung eines streng islamischen Landes unter dem Symbol des Hijab geworfen hat, ist ein klares Bekenntnis zu den universalen Menschenrechten. Das ist nicht selbstverständlich: Immer wieder relativieren Muslime wie Nichtmuslime den Kopftuchzwang, den der Koran im Übrigen nicht ausdrücklich fordert, und erklären die Verhüllung der Frau zum Zeichen religiöser Identität und Selbstbestimmung.