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Gemeindetag: Bezahlkarte erlaubt mehr Kontrolle

Die Bezahlkarte für Geflüchtete sorgt noch vor ihrer Einführung im März in vier Modellregionen Bayerns für Diskussionen. Asylbewerber sollen künftig pro Monat nur noch 50 Euro als Bargeld erhalten, der Rest ihrer Sozialleistungen wird auf die neue Bezahlkarte geladen, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch Überweisungen und Online-Käufe sollen nicht mehr möglich sein, zudem soll die Bezahlkarte nur noch in einem „jeweils zulässigen Aufenthaltsbereich“ einsetzbar sein.

Bereits im März soll die Bezahlkarte in vier Pilot-Kommunen gestartet werden. Getestet wird sie in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Traunstein, Günzburg und der kreisfreien Stadt Straubing, bevor sie im Lauf des zweiten Quartals bayernweit eingeführt werden soll. Die Staatsregierung verspricht sich davon weniger Verwaltungsaufwand und sieht in der restriktiven Ausgestaltung einen Weg, den Anreiz zum Zuzug von Geflüchteten zu senken. Außerdem soll verhindert werden, dass Gelder ins Ausland überwiesen werden.

Bärbel Wieland ist seit beinahe acht Jahren für die Flüchtlings- und Migrationsberatung an der Christuskirche in Straubing zuständig und betreut etwa 200 Geflüchtete in staatlichen und kirchlichen Unterkünften. Grundsätzlich sei sie nicht gegen die Einführung einer Bezahlkarte, „wenn sie menschenwürdig gestaltet ist“, sagte die Sozialpädagogin. Die bayerische Version der Bezahlkarte hält sie jedoch für „schwierig und diskriminierend“.

Für Lastschriftverfahren, Handyverträge, Online-Bestellungen oder Anwaltskosten gehe nichts ohne ein Bankkonto. „Es müsste sichergestellt werden, dass wenigstens Inlandsüberweisungen getätigt werden können“, sagte Wieland. Die Bezahlkarte erhalten Asylbewerber und Geflüchtete in einer Gemeinschaftsunterkunft. Diese wird bei einem alleinstehenden Erwachsenen mit 460 Euro monatlich aufgeladen. Ein Geflüchteter im Anker-Zentrum erhält 134 Euro im Monat.

Die Grundzuständigkeit für Flüchtlinge und Asylbewerber liegt bei den Kommunen und Landkreisen. Deshalb hält der Bayerische Gemeindetag die Bezahlkarte für „zwingend notwendig“, sagte dessen Präsident Uwe Brandl (CSU) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gehe darum, „den Missbrauch von Leistungsbezug möglichst einzuschränken“. Auch die Schlepper-Kriminalität solle damit bekämpft werden.

Mit der Bezahlkarte wolle man auch den Überblick behalten, was konsumiert und ausgegeben wird. Die Bezahlkarte lässt sich Brandl zufolge so modellieren, dass kontrolliert werden kann, wo und was eingekauft wird. Bestimmte Waren wie Alkohol oder Zigaretten könnten mit der Bezahlkarte nicht gekauft werden.

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisierte die geplante Bezahlkarte als „diskriminierend und vermutlich rechtswidrig“. Aus der Website des Unternehmens, das die Karte in Bayern einführen soll, gehe hervor, dass die Behörden jederzeit den Guthabenstand der Kartenbesitzer einsehen und die Karte sperren könnten. Laut Ministerium werde das auch beim Untertauchen von Geflüchteten relevant.

Die Bezahlkarte ist nur im „jeweils zulässigen Aufenthaltsbereich“ gültig, das könne ein Landkreis oder Postleitzahlengebiet sein. Der Besuch von Verwandten und Freunden oder eines Supermarkts im nächsten Ort werde dadurch schwierig, befürchtet der Flüchtlingsrat. Unklar sei auch, ob der öffentliche Nahverkehr mit der Karte bezahlt werden dürfe. „Bayern will zukünftig bestimmen, was und wo Geflüchtete einkaufen“, kritisierte Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Das Recht auf informelle Selbstbestimmung und Gestaltungsfreiheit des eigenen Lebens müsse für alle Menschen in Deutschland gelten.

Die Art, wie über Menschen auf der Flucht geredet werde, gehe ihr sehr nahe, sagte Flüchtlingsberaterin Wieland. „Da wird ein Negativbild von Geflüchteten gezeichnet, das so nicht stimmt.“ Die Praktikerin forderte mehr Sachlichkeit. Wenn die Geflüchteten im April realisieren, dass kein Cent mehr auf ihr Bankkonto fließt, gebe es wieder einen Run auf die Beratungsstellen. „Dabei sind wir schon jetzt am Limit.“ (00/0599/21.02.2024)