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Inklusion: Berliner “Versteh Bar” macht Sprache leicht verständlich

Ein neues Büro für Leichte Sprache in Berlin will sprachliche Teilhabe für alle voranbringen und Texte verstehbar machen. Die “Versteh-Bar” liegt im hippen Stadtbezirk Friedrichshain.

Ivetta Bieslawska und Justin Engel haben ihre Berliner „Versteh Bar“ eröffnet
Ivetta Bieslawska und Justin Engel haben ihre Berliner „Versteh Bar“ eröffnetKatharina Körting

„Freundliche Worte sind wie Honig: süß für den Gaumen und ­gesund für den ganzen Körper“ – so begann der theologische Impuls zur Eröffnung der „Versteh Bar – Büro für Leichte Sprache“ in Berlin-Friedrichshain. Es ist ein Zitat aus der Bibel „Gute Nachricht“ (Sprüche 16,24). Ganz leicht zu verstehen ist es nicht: Der Vergleich mit dem Honig oder das selten verwendete Wort „Gaumen“ könnte Schwierigkeiten bereiten. Ganz zu schweigen vom „theologischen Impuls“. Dasselbe gilt für andere Texte – Predigten zum Beispiel. Oder, weltlicher, Wohngeldanträge, Schreiben vom Amt, Internetauftritte… Und auch dieser Artikel ist nicht in Leichter Sprache verfasst. So schließt er mindestens 20 Prozent der Erwachsenen aus: Alltagssprache ist für ­viele schwer verständlich.

Leichte Sprache wichtig für Menschen mit kognitiven Einschränkungen

Menschen mit kognitiven Einschränkungen brauchen eine ­barrierefreie Kommunikation. Die „Versteh Bar“, ein Projekt der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, stellt sich in deren Dienst. In Bernau befindet sich bereits seit September 2021 ein Büro für Leichte Sprache im Aufbau, betrieben von Katja Leonhardt und Claudia Ebert. Nun kommt in Berlin Verstärkung mit Koordinatorin Ivetta Bieslawska und ihrem Mitarbeiter Justin Engel.

„Die Prüfgruppe etabliert sich ­gerade“, sagte Frank Seewald von der Stiftungsverbandsleitung im ­Bereich Berlin. Denn ohne Prüferinnen und Prüfer funktioniert Leichte Sprache nicht: Alle Texte werden von mindestens zwei Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Verständlichkeit hin testgelesen und daraufhin überarbeitet. In der „Versteh Bar“ soll dies künftig einmal pro Woche geschehen. „Ihre Erfahrungen und Rückmeldungen sind für uns von unschätzbarem Wert“, betonte Jeannette Pella, die in der Stiftung den Bereich Teilhabe leitet.

Finanzierung durch Spende gesichert

Drei Räume auf rund 50 Quadratmetern stehen zur Verfügung. Die Gemälde an den Wänden hat die künstlerische Gruppe der Lobetaler geliehen. Insgesamt wurden laut Martin Wulff, Geschäftsführer der Stiftung, rund 500000 Euro investiert, um die Ladenräume zu erwerben und barrierearm umzubauen. Nach Angaben von Pella handelt es sich bei dem Geld um eine Spende. Ohne diese hätte es wegen der hohen Mieten in Berlin keine „Versteh Bar“ geben können. Die „Aktion Mensch“ fördert in den ersten fünf Jahre einen Teil der Personalkosten.

„Es geht darum, dass wir uns verständlich machen mit Einfacher und Leichter Sprache“, erklärte Wulff. Einfache Sprache ist eine etwas komplexere Version, bei der die Prüfung durch Testlesende nicht verpflichtend vorgesehen ist. Sie richtet sich zum Beispiel an Menschen mit geringen Deutschkenntnissen oder Demenz. Beide Versionen vermeiden Fremdwörter, Fachbegriffe und komplizierte Sätze.

Wulff: Leichte Sprache ist schwer

Zu den Aufgaben der Versteh Bar gehört die Übersetzung von Informationen und Flyern der Stiftung, die Sensibilisierung von Mitarbeitenden, die Akquise und Ausbildung von neuen Prüflesenden sowie eine gemeinsame Webseite – das Bernauer Büro hat damit schon begonnen. Eine Zusammenarbeit mit dem ganz in der Nähe liegenden PIKSL Labor Berlin, einem gemeinnützigen Unternehmen für digitale Inklusion, und dessen Teilnehmenden ist geplant – einige kamen zur Eröffnung.

Ob alles verständlich war, was da gesagt wurde? Es gab zwar einen kurzen Dialog in Einfacher Sprache, aber ansonsten wurde in schwerer Sprache kommuniziert. Das klang bei Jeannette Pella so: „Wir möchten sicherstellen, dass ­alle Menschen ­Zugang zu allen wichtigen Informationen haben, unabhängig von ihrer sprachlichen Kompetenz.“ Man merkt: Leichte Sprache ist schwer. Es geht dabei nicht „nur“ um ein paar Formulare. „Verstehbar zu kommunizieren ist wichtig für eine funktionierende Demokratie“, meinte Wulff. Schade, dass die Grußworte nicht in Leichter Sprache verfasst und von Menschen mit Lernschwierigkeiten geprüft wurden.

Die Versteh Bar – Büro für Leichte Sprache befindet sich in der Kopernikusstraße 31, 10243 Berlin, Telefon: 0151 15233063, E-Mail: leichte-sprache-berlin@lobetal.de