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Im Universum gibt es Schöpfung

Er beherrscht die Kunst, schwierige Themen verständlich zu erklären: Der Astrophysiker Harald Lesch spricht über Gott, außerirdisches Leben und die Asymmetrien in der Raumzeit

passmil198216 - Fotolia

Er lehrt Astrophysik und Naturphilosophie in München, ist als Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator bekannt und bekennt sich öffentlich zu seinem Glauben an Gott. Harald Krille sprach mit Professor Harald Lesch.

• In der Kino- und Fernsehserie „Star Trek“ (Raumschiff Enterprise) heißt es am Anfang immer: „Der Weltraum, unendliche Weiten, …“ Träumt ein Astrophysiker manchmal davon, selber zu fernen Galaxien zu fliegen?
Wenn es schnell genug ginge, ja. Mit den Geschwindigkeiten, mit denen wir heute unterwegs sind, würde es zum nächsten Stern 75 000 Jahre dauern. Da ich vermutlich nicht älter als 100 werde, würde ich also irgendwo im interstellaren Raum das Zeitliche segnen. Auf der anderen Seite: Wenn ich mit annähernder Lichtgeschwindigkeit fliegen könnte, dann ändert sich ja die Sache mit der Zeit. Dann tickt meine Uhr langsamer. Das heißt, ich fliege irgendwo hin, ich kann aber niemand mehr davon erzählen, weil zu Hause möglicherweise schon 10 000 Jahre vergangen sind und niemand mehr weiß, dass es mich überhaupt gegeben hat. Insofern wäre die Reise zu den Sternen immer nur gemeinsam mit denjenigen zu machen, die einem besonders am Herzen liegen.

Von Juri Gagarin, dem ersten Menschen, der zumindest einen kleinen Sprung in eine erdnahe Umlaufbahn machte, wird die Aussage kolportiert, dass er Gott nicht gesehen habe. Wie geht es Ihnen mit Gott angesichts des Universums?
Die amerikanischen Astronauten, die mit Apollo 8 zum Mond geflogen sind, hatten einen ganz anderen Eindruck. Weil sie nämlich die Erde als erste Menschen in Gänze als blauen Planeten vor der Schwärze des Universums gesehen haben. Und dann hat einer von ihnen, Frank Bormann den biblischen Schöpfungsbericht aus Genesis vorgelesen. Man sieht also, die einen sehen es so, die anderen so. Bei vielen Astronauten, die ihre Eindrücke beschreiben, sind tiefe spirituelle Aussagen dabei. Wenn ich als theoretischer Astrophysiker mit meinen mathematischen Formeln rechne, spielt Gott natürlich keine Rolle. Allerdings in der Art und Weise, wie ich mit den Menschen umgehe, die mit mir zusammenarbeiten, spielt er eine große Rolle. Denn da geht es um Beziehungen und Werte. Messwerte sind das, was die empirische Wissenschaft liefern kann. Aber die Werte, nach denen ich lebe, die muss ich in Relation zu irgendetwas Absolutem, zu irgendetwas Unveränderlichem setzen. Und das nennen wir Gott. Das ist das, wovon wir hoffen, dass es gnädig mit uns ist. Luther hat es ja klar ausgedrückt: Du kannst noch so viel machen, am Ende kommt es auf die Gnade Gottes an. Egal ob Wissenschaftler, Tankwart oder Verkäuferin im Supermarkt, immer wird es eine persönliche Entscheidung für oder gegen Gott sein.

Dem Begründer der Quantenmechanik, Werner Heisenberg, wird der Ausspruch zugeschrieben, der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft mache ungläubig, aber auf dem Grunde des Bechers warte Gott.
Was Heisenberg meint, ist, wenn man nicht tief genug in die Wissenschaft einsteigt, wird man nie verstehen, worum es geht. Es ist nämlich die ganze Suche, die in den Naturwissenschaften passiert, in irgendeiner Art und Weise letztlich eine Suche nach etwas Absolutem: Die einen nennen es Gott. Die anderen nennen es irgendwie kosmische Energie.

Warum bleiben dann so viele Naturwissenschaftler beim Atheismus stehen?
Zum einen steht Forschung heute sehr unter dem Einfluss der Wirtschaft. Und vielen bleibt nicht mehr übrig als das, was Hartmut Rosa, der Soziologe in Jena, mal mit „rasendem Stillstand“ bezeichnete. Man muss einfach immer mehr machen, um den Status quo zu halten. Und es ist eben oft nicht mehr dieses Entdecken von etwas Fundamentalem, wie es Heisenberg vergönnt war. Zum anderen: Wer mit der Forschung beginnt, Naturgesetze entdeckt, Formeln entwickelt, hat natürlich zunächst den Eindruck, damit alles erklären zu können. Bis man feststellt, es gibt Prinzipien, es gibt Vorgänge, die sind nicht erklärlich. Etwa die Tendenz im Universum zur Schöpfung, zur Kreativität.

Das Universum hat eine Tendenz zur Kreativität?
Wir sehen die Ausdehnung der Raumzeit. Und in dieser expandierten Raumzeit sehen wir, dass Galaxien sich bilden. Und das ist schon merkwürdig, weil sich Materie normalerweise völlig gleichmäßig verteilen müsste. Stellen wir uns vor, wir hätten irgendein Gas, das wir gleichmäßig in einem Raum verteilen. Dann wäre es schwer vorstellbar, dass sich darin spontan kleine Tassen aus Meißner Porzellan bilden. Aber im Universum geschieht das im übertragenen Sinn sehr wohl. Das heißt, es gibt von Anfang an kleine Asymmetrien, wie wir sie nennen, oder Ungleichgewichte, die tendenziös sind. Weil da, wo die Materie ein bisschen dichter ist, auch die Schwerkraft etwas stärker ist, und auf einmal beginnt sich dort etwas zu bilden: Sterne, Planeten. Auf unserem Planeten gibt es Leben. Das ist noch ein weiterer Übergang: von toter Materie zur lebendiger Materie. Und auch die bleibt nicht beim Einzeller stehen. Was ich damit sagen will: Entgegen der allgemeinen Tendenz, alles auseinanderzutreiben, entstehen im Universum Inseln, in denen die Kreativität der Naturgesetze so hoch ist, dass etwas Besonderes, etwas Neues entsteht.

Auch neues Leben außerhalb unserer Erde?
Wir haben schon mindestens 2000 Planetensysteme außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. Bisher haben wir darauf noch keine Lebenshinweise gefunden. Aber für mich ist das nur eine Frage der Zeit.

Und das würde Ihren Glauben an die Schöpfung Gottes nicht zerstören?
Da würde ich mit Giordano Bruno argumentieren: Warum sollen wir Gott beschränken? Also, da wäre ich völlig gelassen. Eine spannende Frage wäre natürlich, wenn es irgendwo anders intelligentes Leben gibt, ob dann auch Jesus Christus mehrfach aufgetaucht ist?

Aber wir könnten zu diesen Außerirdischen nur Verbindung aufnehmen, wenn wir oder sie sich mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit bewegten?
Das wird vermutlich nicht möglich sein. Aber wie das in der Wissenschaft so ist, diese Aussage gilt bis auf Weiteres. Momentan sieht alles so aus, dass wir die Lichtgeschwindigkeit nicht überschreiten können. Und dass, wenn wir auf Außerirdische träfen, diese wohl von ihrem Planeten wegfliegen mussten, weil sie vielleicht die gleichen Fehler gemacht haben, wie wir sie momentan machen: Nämlich das, was ihnen gegeben wurde, so schlecht zu behandeln, dass sie irgendwann ihren Planeten verlassen mussten. Deshalb sollten wir uns nicht so sehr darauf verlassen, dass mal die Heilsbringer von anderen Sternen kommen, sondern unsere eigene Verantwortung für Gottes Schöpfung übernehmen. Spiritualität ist also geradezu ein Gebot der Vernunft.