Artikel teilen:

Im Angesicht der Ewigkeit

Über den Predigttext zum Sonntag Quasimodogeniti: 1. Petrus 1, 3-9

Predigttext (in Auszügen)
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, 4 zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe (…) 6 Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtung (…) 8 ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, 9 wenn ihr das Ziel eures Lebens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit.

Der Predigttext des Sonntags jubelt. Es ist schier ein Freudentaumel, den wir hier mitbekommen: Jesus ist auferstanden. Der Tod ist besiegt. Wir dürfen leben.
Dabei trägt dieser erste Sonntag nach Ostern keinen auf den ersten Blick aufmunternden Namen: „Quasimodogeniti“. Wer hier an den buckligen, tragisch liebenden Glöckner von Notre-Dame denkt, liegt nicht falsch. Denn Quasimodo wird im Roman tatsächlich im Alter von vier Jahren an eben diesem Sonntag auf den Treppen der Kathedrale Notre-Dame gefunden. Victor Hugo nutzt dazu den namensgebenden Vers des Sonntags aus dem 1. Petrusbrief: „Wie die neugeborenen Kindlein (Quasimodogeniti) seid begierig nach der vernünftigen, lauteren Milch“ (1. Petr 2, 2).

Blick auf die Folgen von Ostern

Damit ist das Thema des Sonntags benannt. Wir blicken nicht mehr auf das Geschehen von Ostern, sondern auf die Folgen: Die neue Geburt durch Wasser und Geist in der Taufe und die Freude über ein neues Leben in Christus. Dieser außerordentlichen Perspektive angemessen dauert die Österliche Freudenzeit 50 Tage lang und hat am Sonntag nach Ostern einen ersten Höhepunkt.
An diesem Sonntag hören wir mit gewaltigen Worten von der Dramatik der Veränderungen durch das Ostergeschehen. Da ist die Rede vom „unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe“, von „unaussprechlicher und herrlicher Freude“ bis hin zu „der Seelen Seligkeit“.
Was können wir mehr wollen?
Nun, an einer Stelle, in Vers 6, findet sich ein kurzer Schlenker in das Hier und Jetzt, und der hat es in sich: „Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen“. Jetzt ist es also eine kleine Zeit anders. Was für eine Untertreibung.
Stellen wir uns all das Leid der Menschen und der Welt vor, das jetzige und das vergangene, die Entbehrungen, den Hunger, die Not, das Elend, die Angst, die Anfechtung, die Frustration, die Trauer, die Einsamkeit. Was für eine Zumutung, hier von „kleiner Zeit“ zu sprechen.
Jeder kennt das, und ja, wie schön wäre es, wenn das alles nur eine „kleine Zeit“ hätte. Mancher lebt wohl Jahre und Jahrzehnte inmitten solcher Zeiten, zum Beispiel allein deshalb, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort geboren wurde. Wenn also das Leben von Anfechtungen mehr oder weniger geprägt wird, wie kann dann der Schreiber des Petrusbriefs von der „kleinen Zeit“ sprechen?
Ein Freund, wenn er sich ärgert, was der Mensch ja nun gelegentlich so tut, fügt an seinen erregten Bericht über sein Ungemach gerne an: „Im Angesicht der Ewigkeit ist das natürlich …“. Und dann kommen Worte wie unbedeutend, hinfällig, gleichgültig. Ob er das immer schon glaubt, was er sagt, weiß ich nicht, aber in jedem Fall hat er Recht.
Da wird der Vorhang vor dem Horizont der Ewigkeit in Christus weggezogen und wir sehen uns und unser Leben wie neu geschaffen. Wir stehen noch am gleichen Ort, nehmen aber eine völlig andere Perspektive ein. Wie bei einem Adler, der hoch aufsteigt, blicken wir anders auf die Welt. Im Angesicht Christi ist das, was uns da umtreibt, tatsächlich nur eine „kleine Zeit“ bedrückend.

Blick auf die Welt aus anderer Perspektive

Mit diesem Blick entwickeln wir als Christen eine Haltung in der Welt. Wir begegnen dem Leid in der Welt jeden Tag neu sehenden Auges und dennoch getröstet. Daran sind wir dann auch zu erkennen. Die guten Werke folgen von allein, zuerst aber steht da die Haltung als evangelischer Christenmensch.
Die Erlösung ist uns zugesagt und das macht den Freudentaumel von Ostern möglich, egal wie es uns selbst gerade geht. Denn die Erlösung kann uns, den neugeborenen Kindern, keiner nehmen.
Darum noch einmal: Frohe Ostern!