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Ich? Wirklich ich?

Über den Predigttext zum 9. Sonntag nch Trinitatis: Markus 3, 13-19

Predigttext
13 Und er ging auf einen Berg und rief zu sich, welche er wollte, und die gingen hin zu ihm. 14 Und er setzte zwölf ein, die er auch Apostel nannte, dass sie bei ihm sein sollten und dass er sie aussendete zu predigen 15 und dass sie Vollmacht hätten, die Dämonen auszutreiben. 16 Und er setzte die Zwölf ein: Simon – ihm gab er den Namen Petrus – 17 und Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, den Bruder des Jakobus – ihnen gab er den Namen Boanerges, das heißt: Donnersöhne – 18 und Andreas und Philippus und Bartholomäus und Matthäus und Thomas und Jakobus, den Sohn des Alphäus, und Thaddäus und Simon Kananäus 19 und Judas Iskariot, der ihn dann verriet.

Zwölf Apostel sind es – eine bunte Truppe: Menschen mit Ecken, Kanten und Fehlern. Fischer und Zöllner. Ein Dieb war dabei. Und einer, der sein Temperament oft nicht unter Kontrolle hat. Und am Ende ein Verräter.

Worum es geht? Jesus beruft seine Jünger. Er macht es sich nicht leicht. In einer etwas anderen Version der Geschichte beim Evangelisten Lukas steht, Jesus hat die ganze Nacht vorher gebetet. Er hat nicht einfach die Typen genommen, die ihm am sympathischsten waren. Sondern die, die Gott wollte.

Ein Haufen, der so viel Seriosität ausstrahlt, wie Anlageberater auf den Cayman-Inseln.Und doch hat sich Gott diese Männer ausgesucht. Das macht Mut. Er hat in ihnen wohl etwas gesehen, was anderen verborgen war.

Gott sieht etwas in uns, was andere nicht sehen

Wenn ich mich frage, ob sich Gott mit mir die Richtige ausgesucht hat, um seine Liebe weiterzugeben, denke ich an seine Jünger. Daran, dass Gott wohl auch in mir etwas sieht, was ich selbst und andere nicht sehen.

Jesus hat Aufträge für die Jüngerinnen und Jünger, die er beruft. Allen voran der Auftrag: „Dass sie bei ihm sein sollten.“ Das ist die Voraussetzung für alle weiteren Aufträge. Bei Jesus sein, Gott nahe sein. Denn ohne das klappt es mit allem weiteren nicht. Jesus sendet seine Jünger mit zwei weiteren Aufträgen: Sie sollen predigen und sie sollen in Vollmacht Dämonen austreiben. Beides ist nur möglich, wenn sie „bei Jesus sind“. Wenn sie mit ihm in Kontakt sind.

Was für die zwölf Apostel galt, hat auch heute nichts an Aktualität verloren. Bis heute besteht die Gefahr, dass Predigten, dass das Reden von Gott und dem Glauben leere Worte bleiben, wenn wir nicht mit Gott in Kontakt sind. Wenn wir nicht daran glauben, dass der Heilige Geist mit uns ist und durch uns wirkt.

Wie sieht es überhaupt aus bei uns: Komme ich, wenn Jesus mich ruft? Lasse ich mich ansprechen? Oder schalte ich lieber auf Durchzug, weil die Folgen eines solchen Rufes doch etwas zu anstrengend sein könnten …? Und wie geht das überhaupt – „bei Jesus zu sein“?

Die Apostel konnten „in Echt“ mit Jesus zusammen sein. Das geht schon lange nicht mehr.
Unsere Möglichkeiten sind etwa das Lesen in der Bibel. Sich Zeiten zu nehmen, in denen wir uns von nichts anderem ablenken lassen und ein Bibelwort in uns wirken lassen. Beten. Meditieren. Einen Gottesdienst besuchen. Sich eine zeitlang in ein Kloster zurückziehen, um dort Gott intensiv zu begegnen – vielleicht auch mit Gesprächen bei einer geistlichen Begleiterin.

Zu seinen Lebzeiten auf Erden war es Jesus am wichtigsten, dass die Menschen von Gott hören. Dass sie die befreiende Nachricht des Glaubens hören und erleben. Dass sie mitbekommen, Gott ist mächtiger als alle Menschen, mächtiger als alle Kräfte, wie Dämonen und böse Geister.

Mit dem Leben vom Glauben erzählen

Und heute? Nach wie vor ist es der Auftrag der Christinnen und Christen, von der Liebe und der Allmacht Gottes zu erzählen. Es anderen durch ihr Leben zu zeigen, dass Glaube positive Konsequenzen hat. Dass es sich lohnt, mit Gott im Kontakt zu sein. Das muss nicht gleich bedeuten, auf der Kanzel zu stehen und zu predigen. Sondern auch im alltäglichen Miteinander können wir „predigen“. Im Umgang mit den Mitmenschen wie auch mit den Ressourcen, mit der Schöpfung.

Wie Jesus seine Jünger berufen hat, so hat uns Gott erwählt. Wir sollen „bei ihm sein“. Oder daran denken, dass er immer bei uns ist – wie in dem Kindergebet:
„Wo ich gehe, wo ich stehe, bist du, guter Gott bei mir. Wenn ich dich auch niemals sehe, weiß ich dennoch: Du bist hier.“