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Friedweinberge: Bestattungen im Weinberg werden beliebter

Mehr und mehr Kommunen in den traditionellen deutschen Weinbauregionen legen Friedweinberge an, in denen Urnen mit der Asche Verstorbener bestattet werden können. Die Nachfrage ist hoch.

Friedwingert und Friedwald in Nackenheim
Friedwingert und Friedwald in Nackenheimepd-bild / Andrea Enderlein

Noch sind es ganz zarte Reben, die auf einer Anhöhe hoch über der Winzergemeinde Nackenheim in die Höhe sprießen. Bis zur barocken katholischen Pfarrkirche und dem städtischen Friedhof sind es nur wenige Schritte. Die Weinstöcke zwischen zwei wellenförmig angelegten Wegen gehören zum neuen „Friedwingert“ der 5.000-Einwohner-Gemeinde südlich von Mainz. Die Idee, Urnen in einem eigens angelegten Weinberg zu bestatten, wird in den deutschen Weinbauregionen immer populärer – vor allem in Rheinland-Pfalz.

Ortsbürgermeister René Adler (Freie Wähler) hat die Idee erstmals bei einer kommunalpolitischen Fortbildung zum Friedhofswesen von einem begeisterten Amtskollegen aufgeschnappt: „Da habe ich gleich gesagt: Das ist etwas für Nackenheim.“ Noch immer prägt der Weinbau maßgeblich die Region. Von dem in Nackenheim geborenen Dramatiker Carl Zuckmayer bekam sie mit der Komödie „Der Fröhliche Weinberg“ ein bleibendes Denkmal gesetzt. Wie überall in Deutschland machen sich auch hier die Änderungen in der Bestattungskultur bemerkbar: Die Nachfrage nach Urnengräbern steigt, während auf dem historischen Friedhof nicht mehr alle Grabstellen für traditionelle Erdbestattungen belegt werden können.

Bestattungen unter Weinreben haben hohe Nachfrage

Erste Initiativen für Friedweinberge waren vor rund fünf Jahren fast zeitgleich in mehreren Weinbauregionen der Republik entstanden. Das bundesweit erste derartige Urnenfeld wurde in Bad Neuenahr-Ahrweiler eröffnet. Auf dem städtischen Bergfriedhof sind seit Sommer 2017 Bestattungen unter Weinreben der Sorte „Blauer Muskateller“ möglich. Mittlerweile fanden im Friedweinberg oberhalb der Ahr, der von der Flutkatastrophe von 2021 verschont blieb, bereits über 250 Beisetzungen statt. Aufgrund der hohen Nachfrage habe es bereits mehrfach Erweiterungen der Bestattungsplätze gegeben, teilte die Stadt mit.

Der Ortsbürgermeister von Nackenheim, Rene Adler, vor dem Friedwingert in Nackenheim
Der Ortsbürgermeister von Nackenheim, Rene Adler, vor dem Friedwingert in Nackenheimepd-bild / Andrea Enderlein

Für den wenig später eröffnete Friedweinberg im unterfränkischen Nordheim am Main gibt es Reservierungsanfragen aus der gesamten Bundesrepublik. Weitere Weinbaugemeinden in Rheinhessen, in der Pfalz und in Nordbaden griffen die Idee auf, und sogar in Dortmund gibt es mittlerweile Urnengräber unter Weinreben. „Friedweinberge sind ganz offensichtlich in vielen Weingegenden ein Trend ohne jeden pietätlosen Beigeschmack, verbunden mit einem bodenständigen Umgang mit Leben und Sterben“, urteilte das Fachmagazin „bestattungskultur“ des Bundesverbandes Deutscher Bestatter.

Auch bei den Nackenheimern gab es sofort die ersten Voranmeldungen, nachdem René Adler das Vorhaben auf einer Bürgerversammlung vorgestellt hatte. Die Umgestaltung einer Wiese zum Friedweinberg mit angeschlossenem – allerdings nur aus einer Handvoll Bäumen bestehenden – Friedwald, hat sich die Gemeinde Einiges kosten lassen: 158.000 Euro fielen für das Anlegen der Wege und die Gestaltung der Plaketten an, die an Steinstelen angebracht werden und auf denen die Namen der Verstorbenen vermerkt werden können. Möglich war die Finanzierung nur mit Zuschüssen aus einem Investitionsprogramm des Landes. Zuletzt schaffte die Gemeinde noch einen neuen Rasentraktor an, der auch die recht steile Böschung bewältigen kann.

Einen “Friedwein” wird es in Nackenheim nicht geben

Im Ergebnis entstanden 215 Urnengräber, in denen jeweils maximal vier Urnen Platz finden können – eine beachtliche Anzahl, angesichts des Umstandes, dass es in Nackenheim insgesamt nur 50 bis 60 Todesfälle pro Jahr gibt. Die Kosten für eine Grabstätte im Weinberg liegen wegen des erhöhten Pflegeaufwands etwas über denen für ein gewöhnliches Urnengrab. Im Januar 2023 segnete die Ortsgemeinde ihren Friedweinberg im Beisein des katholischen Pfarrers und dessen evangelischer Amtskollegin ein, und der Bürgermeister erinnerte in einer Ansprache an seinen Kommunionsspruch aus dem Johannesevangelium: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“

Reife Trauben sollen an den Weinstöcken allerdings nicht hängen – und erst recht wird es keinen „Friedwein“ geben. Darin sind sich die Verantwortlichen aller neu entstandenen Friedweinberge einig. Friedhofsgärtner sollen mit einem rechtzeitigen Pflegeschnitt dafür sorgen. „Das wäre für viele wohl doch ein Pietätsproblem“, glaubt Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas. Selbst hätte er keine grundsätzlichen Bedenken dagegen: „Es ja nicht so, dass in den Trauben etwas von den Verstorbenen drin wäre.“ In jedem Fall seien die Friedweinberge ein „schönes Angebot“, das man nur begrüßen könne.