Eine Jugendquote von 20 Prozent in kirchlichen Gremien oder die Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Paaren bei der kirchlichen Trauung – solche Forderungen finden sich in den Wahlprogrammen zur württembergischen Kirchenwahl. Am 30. November wählen Württembergs Protestanten ein neues Kirchenparlament, die Landessynode. Der Evangelische Pressedienst (epd) hat sich die Programme angeschaut.
Die Besonderheit in Württemberg: Als einzige Landeskirche dürfen die Mitglieder unmittelbar in einer sogenannten Urwahl über die Zusammensetzung der Synode bestimmen. In anderen Landeskirchen übernehmen Gremien wie beispielsweise Kirchenvorstände diese Aufgabe. 159 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich in diesem Jahr um die 90 Plätze in der Landessynode. Organisiert sind sie in vier sogenannten Gesprächskreisen. Und diese Gesprächskreise haben Wahlprogramme entwickelt, mit denen sie um die Stimmen der Kirchenmitglieder werben.
Die theologisch konservative „Lebendige Gemeinde“ setzt auf Mission, um die Kirche zukunftsfähig zu machen. Dazu schlägt sie einen Investitionsfonds von 10 Millionen Euro für missionarische Initiativen vor. Gleichzeitig fordert sie maximale Autonomie für die örtlichen Kirchengemeinden bei Personal und Finanzen. Die Gruppe will breitere Zugänge zum Pfarramt ermöglichen, auch für Absolventen freier theologischer Hochschulen und nicht nur für examinierte Universitätstheologen. Gesellschaftspolitisch steht sie für den Schutz des ungeborenen, kranken und sterbenden Lebens.
Die theologisch liberale „Offene Kirche“ setzt auf gesellschaftspolitische Beteiligung der Kirche und auf Vielfalt. Die Gruppe fordert eine klare Abgrenzung gegen extremistische Haltungen: „AfD-Funktionäre dürfen keine kirchlichen Leitungsämter übernehmen.“ Zudem spricht sich die „Offene Kirche“ für die gleichgestellte Trauung queerer Paare aus. Sie verlangt des Weiteren die konsequente Umsetzung des Klimaschutzgesetzes. Dabei stehe der Klimaschutz über dem Denkmalschutz, wenn es beispielsweise um Solaranlagen auf historischen Kirchendächern geht.
Der reformorientierte Gesprächskreis „Kirche für morgen“ steht für tiefgreifende Strukturveränderungen. In allen kirchlichen Gremien sollen mindestens 20 Prozent der Mitglieder nicht älter als 30 Jahre alt sein. Die Gruppe will die Ebene der Prälatur streichen, worin sie einen Beitrag zu weniger Bürokratie sieht. Sie fordert einen Systemwechsel bei der Finanzierung: Geld soll durch einen lokalen Mitgliedsbeitrag direkt der Gemeinde vor Ort zugutekommen. Gebäudeverkäufe sollen Personal finanzieren. Das Motto lautet: „Geld in Beine statt in Steine“.
Der sich als theologische Mitte verstehende Gesprächskreis „Evangelium und Kirche“ geht mit weniger profilierten Forderungen ins Rennen – hier steht eine Kirchenpolitik im Fokus, die aus der biblischen Botschaft heraus verschiedene Positionen verbindet und der Polarisierung wehrt. Die Gruppe will die Kirche als Begegnungsraum „für Fromme und Fragende“ erhalten. Der Gesprächskreis unterstützt die konsequente Einführung von Gewaltschutzkonzepten auf allen Ebenen der Landeskirche. Evangelische Kindergärten und der öffentliche Religionsunterricht müssten erhalten bleiben.
Im Unterschied zu Parteiprogrammen geben die Gesprächskreise mit ihren Wahlprogrammen lediglich eine Richtung vor. Im Kirchenparlament kennen sie keinen „Fraktionszwang“, jede und jeder Synodale entscheidet nach eigenem Wissen und Gewissen. Am 1. Advent wird sich zeigen, welches Programm das kirchliche Wahlvolk am meisten überzeugt hat. (2941/18.11.2025)