Artikel teilen

Hofschau im Münchner Isartor würdigt Starduo der Volkssängerszene

Die Auftritte von Liesl Karlstadt und Karl Valentin entwickelten sich im München der 1920er Jahren vom Geheimtipp zum Pflichttermin. Nun erinnert eine Freiluftausstellung im Hof des Münchner Isartors an die beiden.

Eisig zieht der Wind an diesem Dezembertag durch den Hof des Münchner Isartors. In den beiden Türmen, wo das Valentin-Karlstadt-Musäum seinen Sitz hat, sind seit Oktober die Handwerker zugange, um die Räumlichkeiten brandschutztechnisch zu ertüchtigen. Mitte 2026 hoffen die Verantwortlichen alles geschafft zu haben und wiedereröffnen zu können. Direktorin Sabine Rinberger und ihr Team sind jedoch nicht untätig geblieben. Bis 29. April 2025 wird im Freien die Hofausstellung mit dem Titel “Durch Nacht und Nebel” präsentiert.

Bei “Tag und Nacht, Nebel und Sonnenschein” sind ab sofort große Infotafeln über die Aufführungen der legendären Komiker Karl Valentin (1882-1948) und Liesl Karlstadt (1892-1960) zu sehen. Sie erzählen davon, welchen Einfluss die beiden mit ihren Darbietungen auf die Kunst- und Intellektuellenszene der 1920er Jahre hatten. Dazu kommen Großfotos mit Zitaten ihrer Bewunderer. Unter diesen sind so bekannte Namen wie die Journalisten Alfred Kerr, Egon Erwin Kisch und Kurt Tucholsky. Der österreichische Autor Alexander Roda Roda war von Valentin so begeistert, dass er forderte: “Gebt ihm den Nobelpreis der Komik, des Humors!”

Der Kabarettist Hans Well, einst Mitglied der legendären “Biermösl Blosn”, erinnerte bei der Eröffnung der Schau daran, wie das Starduo die Münchner Volkssängerszene aufmischte und den Nerv der Zeit traf. So verewigte Lion Feuchtwanger Valentin in seinem Roman “Erfolg” von 1930 in der Figur des Komikers Balthasar Hierl. Auch Bert Brecht war so hingerissen von dessen Können, dass er bekannte: “Es ist nicht einzusehen, inwiefern Karl Valentin dem großen Charlie … nicht gleichgestellt werden sollte.” Gemeint war kein geringerer als das spätere Universalgenie Charlie Chaplin.

Brecht und Feuchtwanger habe an Valentin fasziniert, was für sie unerreichbar gewesen sei, glaubt Well. Keiner von ihnen habe diese “absurde Unlogik, diese Unlogik der Logik” besessen: “Dieses Denken, das man nicht lernen kann, das man sich nicht erarbeiten kann durch viel Schreiben, sondern dass man einfach haben muss.” Das Querdenken, das leider durch Corona verunglimpft worden sei, besäßen wirklich nur wenige Menschen, so der Künstler. Valentin habe es gehabt und genial auf die Bühne gebracht.

Mit ihren Auftritten begeisterten Karlstadt und Valentin damals immer mehr Menschen. Zum Publikum, das die Kleinkunst schätzte, gesellten sich auch Schriftsteller und Künstler. Denn von den beiden wurde etwas ganz Neues dargeboten. “Ich saß abends bis 11 im Kabarett bei Valentin und wälzte mich fast vor Lachen”, erinnerte sich Brecht. Von ihm könne man lernen, wie man ein Drama baue, schwärmte der Theatermann über den Komiker. Der Österreicher Alfred Polgar befand: “Man muss furchtbar lachen über ihn, obschon er gar nicht lustig ist. Sein Humor, eine wunderliche Mischung aus Schwachsinn und Tiefsinn, eine metaphysische Clownerie.”

Auch Mitglieder der Familie Mann gerieten ins Schwärmen. So befand Heinrich, dass Valentin derbste Volkstümlichkeit mit einer merkwürdig geisternden Phantasie verbinde. Hermann Hesse resümierte nach einem München-Aufenthalt: “Die Erinnerung an Valentin gehört zu den Kostbarkeiten dieser Reise.” Die große Schauspielerin Therese Giehse sagte über Karlstadt: “Es gibt keine Bessere.”

Brecht, Feuchtwanger, Karlstadt und Valentin verbinde ein beobachtender Blick auf Menschen und die Gesellschaft, heißt es auf einer der Infotafeln. Dargestellt würden gesellschaftliche Realität, menschliche Abgründe und Fehlbarkeiten. Brecht holte als Dramaturg an den Münchner Kammerspielen bewusst das Komikerduo auf die dortige Bühne, da sie ihm mit Stücken wie “Die Raubritter vor München”, “Großfeuer in Gigging” oder “Sonntag in der Rosenau” ein volles Haus bescherten.

Als Brecht 1924 sein Werk “Leben Eduards des Zweiten von England” in den Kammerspielen uraufführen wollte, sollte auch eine halbstündige Schlacht gezeigt werden. Da fragte er Valentin: “Wie sind Soldaten in der Schlacht?” Dessen Antwort war eindeutig: “Weiß sans, Angst hams” (Weiß sind sie, Angst haben sie.) Die berühmte Brechtsche Verfremdung dürfte damit auch auf Valentin zurückgehen, den der große Dichter ließ die Gesichter der Soldaten für diese Aufführung eigens weiß schminken.