JERUSALEM – Mit seinem Roman „Exodus“ setzte Leon Uris dem Schiff und den Menschen ein Denkmal. „Exodus“ – so hieß später der zum Flüchtlingsschiff ausgebaute Vergnügungsdampfer, der als „President Warfield“ in der Nacht vom 10. auf den 11. Juli 1947 vom südfranzösischen Hafen Sete in See stach. An Bord: rund 4500 Holocaustüberlebende. Eine Woche später erreichte das Schiff das ersehnte Ziel, die Küste Palästinas. Doch die hoffnungsvolle Reise aus der Hölle des Naziregimes ins gelobte Land fand für die allermeisten Flüchtlinge erst viele Wochen später ein vorläufiges Ende – in mit Stacheldraht und Wachen gesicherten Lagern in Lübeck.
Flagge: Blauer Davidsstern auf weißem Grund
Erst kurz zuvor auf hoher See hatten die Menschen an Bord dem Schiff seinen neuen Namen verliehen: „SS Exodus from Europa 1947“ – SS für Steamship, deutsch: Dampfschiff. Das Schiff stehe, so sah man es damals, für den Exodus der modernen Zeit, der hoffentlich kürzer dauern würde als sein biblischer Vorgänger. Ein blauer Davidsstern auf weißem Grund, später die Flagge Israels, ersetzte 1947 die honduranische Flagge. „HaTikwa“ – „die Hoffnung“: Dieses Lied erklang aus den Bordlautsprechern. Es wurde knapp ein Jahr später zu Hymne des neu proklamierten Staates Israel.
Unentdeckt war das ungewöhnliche Schiff mit seinen 118 Metern Länge von den Briten seit seinem Auslaufen nicht geblieben. Ihr geringer Tiefgang von gerade einmal 2,40 Metern, hofften die Tausenden an Bord, könnte der Exodus aber zum Vorteil gegenüber den mächtigeren Kriegsschiffen gereichen bei dem Versuch, die seit 1945 vor der Küste Palästinas geltende britische Seeblockade zu durchbrechen.
Stunden dauerte der ebenso aussichtslose wie hartnäckige Kampf der Flüchtlinge, die den britischen Zerstörern nichts als Kartoffeln, Flaschen und Konserven entgegenzusetzen haben. Mehr als 20 Mal versuchten die Briten, das Schiff zu stürmen. Mindestens vier Menschen starben, bevor Kapitän Jossi Harel schließlich gegenüber den britischen Schusswaffen kapitulierte. „HaTikwa“ begleitete das Schiff auch, als es in den Hafen von Haifa geschleppt wurde, erwartet von Tausenden, die den Kampf um die illegalen Einwanderer via Radio live mitverfolgt hatten.
Doch statt eines Neuanfangs im gelobten Land begann für die Holocaustüberlebenden ein Alptraum, der Wochen andauern sollte. Die britische Mandatsmacht hielt an dem für Juden nach Palästina verhängten Einreiseverbot fest. Mehr noch: In Sorge um die politische Stabilität der Region und wohl mindestens ebenso sehr um die eigene Vormachtstellung wollte sie ein abschreckendes Exempel statuieren. Statt wie frühere Schiffsflüchtlinge nach Zypern schickten die Briten die Exodus-Passagiere an Bord von drei Gefängnisschiffen zurück nach Frankreich und, als diese sich weigerten, dort von Bord zu gehen, weiter nach Hamburg.
Am 9. September waren sie gegen ihren Willen wieder auf deutschem Boden. Während die schrottreife „Exodus“ in der Mole von Haifa liegen blieb und 1952 bis auf die Wasserlinie abbrannte, machten der gleichnamige halb historisch3, halb fiktive Bestseller des US-amerikanischen Schriftstellers Leon Uris und die nachfolgende preisgekrönte Verfilmung das tragische Schicksal des Dampfers zum Mythos. Doch nicht nur die literarische Aufbereitung sorgte dafür, dass die „Exodus“ anders als das Schicksal der über 60 weiteren Flüchtlingsschiffe nach Palästina der Jewish Agency und der Haganah, dem bewaffneten Arm der zionistischen Bewegung, im kollektiven Gedächtnis blieb.