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Historikerin gegen Rekonstruktion der 1977 entführten “Landshut”

Bis Ende 2026 soll am Bodensee rund um die “Landshut” eine Ausstellung entstehen, die an das Terrorjahr 1977 erinnert. Sollte das berühmte Flugzeug dafür in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden?

In der Debatte um die künftige Präsentation der “Landshut” spricht sich Historikerin Petra Terhoeven gegen eine Rekonstruktion der ehemaligen Lufthansa-Maschine aus. Von der ursprünglichen Inneneinrichtung des Flugzeugs, dessen Entführung 1977 weltweit für Schlagzeilen sorgte, sei so gut wie nichts mehr übrig, sagte Terhoeven am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Rom.

“Den Nachnutzern des Flugzeugs war dessen besondere Geschichte keine besondere Behandlung wert”, erläuterte die Direktorin des Deutschen Historischen Instituts in Rom. “Das kann man heute schlechterdings nicht mehr korrigieren – jedenfalls nicht, indem man durch umfassende nachträgliche Eingriffe – Umlackieren, Neubestuhlen, Auskleiden – eine vermeintlich authentische ‘Landshut’ herstellt, die de facto einen reinen Inszenierungscharakter hätte.”

Die “Landshut” wurde am 13. Oktober 1977 von einer Gruppe palästinensischer Terroristen entführt, die mit der Tat unter anderem in Deutschland inhaftierte Mitglieder der linksextremen Rote Armee Fraktion freipressen wollten. Während des mehrtägigen Irrflugs erschossen die Terroristen den Piloten der Lufthansa-Maschine, Jürgen Schumann.

In der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 1977 wurde das inzwischen auf dem Flughafen von Mogadischu in Somalia gelandete Flugzeug von der Antiterroreinheit GSG9 gestürmt. Dabei kamen drei der vier Geiselnehmer ums Leben. Die Befreiung der “Landshut” gehört zu den Schlüsselereignissen des sogenannten Deutschen Herbstes, an dessen Ende der Staat in der Konfrontation mit der RAF die Oberhand behielt.

Über Jahrzehnte blieb die “Landshut” unter wechselnden Eigentümern im Einsatz, zuletzt bis 2008 bei einer brasilianischen Fluggesellschaft. 2017 wurde das Flugzeug auf Initiative des damaligen Außenministers Sigmar Gabriel (SPD) nach Deutschland zurückgebracht. Bis Ende 2026 soll in Friedrichshafen am Bodensee eine Ausstellung rund um die Maschine entstehen. Die Federführung liegt bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Terhoeven, Autorin zweier Bücher über die RAF, sitzt im “Fachlichen Begleitgremium”. Dieses Gremium soll das Projektteam bei der Umsetzung des Lernortes beraten.

Unlängst hatten Kritiker, darunter mehrere ehemalige Geiseln, in einem Offenen Brief an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vor einem Scheitern des Projekts gewarnt. Die “Landshut” müsse unbedingt als jene Boeing 737 wiedererkennbar werden, in der sich das Geschehen 1977 abgespielt habe.

Historikerin Terhoeven sagte im KNA-Interview: “Wenn es nur darum ginge, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie ein Passagierflugzeug der Lufthansa im Jahre 1977 aussah oder wie eng damals wie heute die Sitzreihen waren, hätte man das Wrack der ‘Landshut’ nicht aufwendig aus Brasilien nach Deutschland holen müssen. Das könnte man anhand jeder x-beliebigen Boeing 737 der entsprechenden Baureihe demonstrieren.”

Zugleich betonte Terhoeven, die Geschichten und Erinnerungen der ehemaligen Geiseln müssten zum Kern der künftigen Ausstellung gehören. “Das Team der Bundeszentrale für politische Bildung arbeitet eng mit allen Betroffenen zusammen, die dies wünschen – übrigens eine sehr heterogene Gruppe, die naturgemäß nicht nur eine einzige Auffassung vertritt, auch nicht in der Rekonstruktionsfrage”, so die Historikerin. “Am Ende steht hoffentlich ein Lernort, der dem Geschehen angemessen ist und mit dem sich möglichst viele Betroffene identifizieren können. Sie warten schon viel zu lange darauf.”