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Historiker warnt vor “Diktatur der Mehrheit” in Ostdeutschland

Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk sieht in Ostdeutschland einen Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach einem „starken Staat“ und der Zustimmung für die AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). So habe die Mehrheit der Ostdeutschen nach der Wiedervereinigung weiterhin ein „paternalistisches Staatsverständnis“ gepflegt, erklärt Kowalczuk in einem Gastbeitrag in der Berliner „tageszeitung“ (Samstag).

Heute bestünden grundlegende Unterschiede zwischen Ost und West vor allem im Verständnis, „was vom Staat erwartet wird“. So würden „im Osten“ Staatsvorstellungen überwiegen, „die an autoritäre Modelle erinnern“. An dieser Stelle setzten AfD und BSW an: „Sie erstreben einen starken, autoritären Staat, der die Gesellschaft einhegt, bevormundet und homogenisiert.“ Daher sei die Nähe der beiden Parteien zu Russland und China kein Zufall.

Das Resultat eines solchen Staatsverständnisses sei möglicherweise eine „Diktatur der Mehrheit“, schreibt Kowalczuk. Dies hätten schon der Philosoph und Ökonom John Stuart Mill (1806-1873) und der Historiker Alexis de Tocqueville (1805-1859) als Gefahr für die Demokratie beschrieben. Unter dem vermeintlichen Vorzeichen, die Demokratie retten zu wollen, drohe heute in Ostdeutschland genau eine solche „Diktatur der Mehrheit“: „Tatsächlich will im Osten nur eine winzige Minderheit die DDR zurückhaben, so wie sie war. Eine größere Minderheit sehnt sich nach einer DDR, wie sie erinnert wird, wie sie aber nie existiert hat“, schreibt der Historiker.