Von Monika Herrmann
Die Mauern sind hoch, oben drauf noch Stacheldraht, die Fenster vergittert: Gefängnisse sind besondere Orte, an denen die meisten Menschen schnell vorbei gehen. Mit „Verbrechern“ wollen sie nichts zu tun haben. Dabei liegen die Knäste, wie Gefängnisse umgangssprachlich heißen, oft mitten in den Städten, im normalen Leben. Aber kaum jemand weiß, wie es da drinnen aussieht, wie Menschen dort leben? Wie auch? Sie sind unsichtbar und das ist gewollt. Rund 4000 Männer und einige Frauen leben in den Justizvollzugsanstalten (JVA) der Hauptstadt. „Deutschlandweit sind derzeit 60.000 Menschen inhaftiert“, erzählt Thomas-Dietrich Lehmann. Er ist evangelischer Pfarrer und Seelsorger in der Berliner Untersuchungshaftanstalt in Moabit. Lehmann erlebt täglich dieses völlig isolierte Leben in der JVA. „Menschen hinter Gefängnismauern werden nicht gesehen, auch nicht von Kirchen und Christen oder nur ganz selten“, sagt er. Lehmann und andere MitstreiterInnen wollen das ändern, eine Art Reformation des Strafvollzugs stellen sie deshalb zur Diskussion. Eine Veranstaltung auf dem Kirchentag will für dieses Problem Interesse wecken.
Der Appell: Es ist möglich, straffällig gewordene Menschen ohne Mauern und Stacheldraht wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Strafrechtsexperten, Kriminologen, Sozialpädagogen, Seelsorger und ein Vertreter der Gefangenengewerkschaft sind davon überzeugt. Pfarrer Lehmann sagt: „Die Zahl der Gefangenen in den bundesdeutschen Knästen könnte auf 20.000 reduziert werden, wenn die vielen Bagatelldelikte nicht mehr mit Gefängnisstrafen geahndet werden“. Lehmann und viele Strafrechtsexperten sind überzeugt: „Haftstrafen werden produziert“. Wer öfter mal ohne Fahrschein mit der U-Bahn fährt, erwischt wird und seine Schulden nicht begleichen kann, landet im Knast. Noch.