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Hildegard Knef: “Rote Rosen” und ein Filmskandal

Als sie starb, warf die Trauergemeinde 1.000 rote Rosen in das offene Ehrengrab auf dem Friedhof Berlin-Zehlendorf. Hildegard Knef (1925-2002) war in Deutschland wie den USA ein Star, der Trauergottesdienst im Februar 2002 ein Großereignis, übertragen von der ARD. „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ zählte zu ihren großen Erfolgen als Sängerin, vorgetragen auf die ihr eigene Form des lakonischen, schnoddrigen Chansons, ausdrucksstark, häufig mit einer bewusst spröden Stimme.

Vor 100 Jahren, am 28. Dezember 1925, wurde „die Knef“ in Ulm geboren. Bekannt geworden ist sie als Schauspielerin. Ihre Rolle der Prostituierten Marina im Film „Die Sünderin“ (1950) löste den ersten handfesten deutschen Filmskandal aus. Eine kurze, nur sekundenlange Nacktszene und der dargestellte gemeinsame Suizid Marinas und ihres Partners, des todkranken Malers Alexander, erregte die Gemüter: Die evangelischen und katholischen Filmbeauftragten traten unter Protest aus der FSK aus, weil diese den Film ab 18 Jahren freigegeben hatte, katholische Bischöfe wetterten von ihren Kanzeln, es gab wütende Proteste vor den Kinos.

Der 25-jährigen Hildegard Knef war die von ihr ausgelöste Aufregung eher unverständlich. Zu schaffen machte ihr jedoch der massive Shitstorm: Aus dem Erfolg sei eine Verfolgung geworden, ihre tägliche Lektüre seien „Drohbriefe, Morddrohungen, im Detail aufgeführte Anliegen zahlloser Sexualverrückter“, schrieb sie später in ihrer Autobiografie „Der geschenkte Gaul“.

Den künstlerischen Durchbruch hatte ihr vier Jahre zuvor der erste deutsche Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ (1946) gebracht, in dem sie eine KZ-Überlebende spielt. Der Film machte sie zum internationalen Star und brachte Hildegard Knef, die damals mit dem jüdischen US-Presseoffizier Kurt Hirsch verheiratet war, ein Engagement in Hollywood.

Nach den Anfeindungen rund um die „Sünderin“ setzte sie ihre Karriere dann auch in den USA fort, vor allem im Film. Als erste Deutsche hatte sie als Ninotschka in dem Musical „Silk Stockings“ von Cole Porter aber auch am Broadway Erfolg. Wegen ihrer Popularität in den USA machte Willy Brandt (SPD), damals Regierender Bürgermeister von Berlin, sie zu einer „Sonderbotschafterin“: Nach dem Mauerbau sollte sie 1962 in Amerika als Sympathieträgerin für die geteilte Stadt auftreten. Ihre Vorträge lösten zwar Anteilnahme aus, aber nicht die erhofften politischen Initiativen der US-Regierung.

Hildegard Knef ist in Berlin aufgewachsen, ihre Mutter zog nach dem frühen Tod des Vaters mit dem sieben Monate alten Mädchen in die Hauptstadt. Zur wichtigen Bezugsperson wurde ihr Großvater Karl Groehn, über den sie später erzählte, sie habe ihn „mehr geliebt als irgendeinen anderen Menschen in meinem Leben, außer meiner Tochter“.

Sie sei ein „trauriges Kind“ gewesen, sagte Knef in einem Fernseh-Interview, „voller Sehnsucht nach einer kuscheligen Familie“. Hinzu kamen „ewig neue, endlose, zahllose, familienzermürbende Krankheiten“, erinnerte sie sich in ihrer Autobiografie. Durch eine früh erlittene Polio-Erkrankung war ein Bein um 1,5 Zentimeter kürzer als das andere. Mit Gymnastik und ihrem unbeugsamen Willen arbeitete sie dagegen an, wie sie schrieb.

Für eine Zeichnerinnen-Ausbildung kam die junge Hildegard Knef zur Trickfilmabteilung der NS-gesteuerten Filmproduktionsfirma Ufa und schaffte den ersehnten Sprung ins Filmgeschäft. Sie bekam einen Schauspiel-Ausbildungsvertrag, befürwortet vom NS-Propagandaminister Goebbels. Zu Beginn ihrer Filmlaufbahn musste sie für Werbeaufnahmen im Badeanzug in ein Bassin hüpfen.

Das Ende des Krieges beschreibt sie in „Der geschenkte Gaul“: Zusammen mit ihrem damaligen Liebhaber Ewald von Demandowsky, einem Filmproduzenten und überzeugtem Nazi, kämpft sie in Uniform mit der Waffe im „Volkssturm“, gerät als Mann verkleidet für kurze Zeit in russische Gefangenschaft.

Nach dem Krieg wurde Hildegard Knef dennoch sofort Ensemble-Mitglied in den Berliner Theatern „Tribüne“ und „Schloßparktheater“. Bei einer Premiere bekam sie im Juni 1945 die Schreckensnachricht vom Suizid des geliebten Großvaters. „Ich bin zu alt, um die Grausamkeiten vergessen zu können und auch, um Dir noch nützlich zu sein“, zitierte sie später aus dessen Abschiedsbrief.

Im Laufe ihres Lebens wurde Hildegard Knef zu einer Kosmopolitin mit wechselnden Staatsbürgerschaften, auch durch ihre Ehen mit Kurt Hirsch (1947 bis 1952), dem englischen Schauspieler David Cameron (1962 bis 1976) – dem Vater ihrer Tochter Christina – und Paul von Schell (1977 bis 2002).

Eine zweite Karriere macht sie als Autorin und Sängerin. „Der geschenkte Gaul“ (1970) wurde zu einem großen Erfolg und „Das Urteil“ (1975), in dem sie sich mit ihrer Krebserkrankung auseinandersetzte, schaffte es auf den zweiten Platz der US-Bestsellerliste. Als Sängerin umfasste ihr Repertoire 320 Titel, zu 130 davon hatte sie selbst die Texte geschrieben.

Am 1. Februar 2002 starb Hildegard Knef, die fast ihr gesamtes Leben eine passionierte Raucherin gewesen war, an den Folgen einer langwierigen Lungenkrankheit. Die Trauerfeier in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche fand am 7. Februar statt – auf den Tag genau 77 Jahre nach ihrer Taufe in einer evangelischen Kirche in Ulm.