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Hessischer Landtag: Fast alle Minister nutzen religiöse Eidesformel

Zu ihrem Amtsantritt haben der wiedergewählte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und fast alle Ministerinnen und Minister der neuen hessischen Landesregierung die religiöse Eidesformel benutzt. Einzig Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) beschränkte sich am Donnerstag im Wiesbadener Landtag auf die Formulierung „Ich schwöre es“ ohne den Zusatz „so wahr mir Gott helfe“.

Die meisten Minister der schwarz-roten Landesregierung sind evangelisch. Dazu gehören Finanzminister Alexander Lorz, Innenminister Roman Poseck, Kultusminister Armin Schwarz, die Ministerin für Digitalisierung und Innovation, Kristina Sinemus (alle CDU), Wissenschaftsminister Timon Gremmels und Arbeitsministerin Heike Hofmann (beide SPD). Mitglieder der römisch-katholischen Kirche sind neben Ministerpräsident Boris Rhein, Justizminister Christian Heinz, Landwirtschaftsminister Ingmar Jung, Europaminister Manfred Pentz und die Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, Diana Stolz (alle CDU), an. Zur Konfession von SPD-Politiker Mansoori liegen keine Angaben vor.

Unmittelbar vor der ersten Sitzung des neuen Landtags riefen die beiden großen christlichen Kirchen die hessische Politik zu Nächstenliebe auf. Bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Wiesbadener Marktkirche verwies Bischöfin Beate Hofmann von der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck dabei auf die Jahreslosung „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“. Bischof Georg Bätzing vom katholischen Bistum Limburg betonte, dass „die Freiheit, auf die wir hierzulande so stolz sind“, in der Verantwortung füreinander wachse.

In ihrer Predigt erklärte Hofmann, dass Liebe im christlichen Sinne eine Haltung des Respekts und Einfühlungsvermögen für andere Menschen meine. Sie erinnerte an die Geschichte des barmherzigen Samariters und sagte, „zu sehen, wie es anderen Menschen geht, ist der Beginn der Liebe“. Zugleich betonte sie in Erinnerung an den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), dass das neue hessische Parlament verhindern könne, dass so etwas erneut geschieht. Die Würde eines jeden Menschen sei zu stärken.

Lübcke war 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen worden, weil er sich für die Aufnahme von Flüchtlingen starkgemacht hatte und zu einem Hassobjekt rechtsextremer Hetze wurde.

Am Gottesdienst vor der konstituierenden Sitzung nahmen unter anderem Ministerpräsident Rhein, mehrere Minister und weitere Vertreterinnen und Vertreter der hessischen Landespolitik teil. „Auch im Streit kann man dem anderen mit Liebe begegnen“, sagte Hofmann und ermahnte die Politik, einander auch bei Meinungsverschiedenheiten nicht zu beleidigen oder bloßzustellen.

Bätzing sagte, dass die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen groß seien und weit über Hessen hinaus reichten. Unter anderem zeige sich im Erstarken rechter Kräfte ein tiefsitzender Unmut. Bätzing fragte sich, ob es Zufall sei, dass das Gefühl der Abhängigkeit von unbekannten Mächten wächst, während der Gottesglauben zurückgeht. Wer sich Gott zuwende, lebe solidarisch.

In der Rede nach seiner Vereidigung bezog sich der mit 76 Ja-Stimmen wiedergewählte Ministerpräsident Rhein ebenfalls auf die Jahreslosung und den Gottesdienst am Morgen. Die Losung habe gutgetan, aber auch ermahnt und Kraft gegeben. Die Gefahr, dass die aktuellen multiplen Krisen zu einer Krise für die Demokratie insgesamt werden können, sei „nicht gering“. Doch nur eine Demokratie könne „die Herausforderungen unserer Zeit“ bewältigen. Es solle in Deutschland nie wieder möglich sein, sie abzuschaffen. Rhein rief zu „Optimismus statt Extremismus“ auf.