Predigttext (in Auszügen)
1 Brüder und Schwestern, weil Gott so viel Erbarmen mit euch gehabt hat, bitte und ermahne ich euch: Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung! Bringt euch Gott als lebendiges Opfer dar, ein Opfer völliger Hingabe, an dem er Freude hat. Das ist für euch der „vernunftgemäße“ Gottesdienst. 2 Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an. Lasst euch vielmehr von Gott umwandeln, damit euer ganzes Denken erneuert wird. Dann könnt ihr euch ein sicheres Urteil bilden, welches Verhalten dem Willen Gottes entspricht, und wisst in jedem einzelnen Fall, was gut und gottgefällig und vollkommen ist. 3 In der Vollmacht, die Gott mir als Apostel gegeben hat, wende ich mich an jeden Einzelnen von euch. Niemand soll sich über andere erheben und höher von sich denken, als es angemessen ist. Bleibt bescheiden und sucht das rechte Maß! Durch den Glauben hat jeder von euch seinen besonderen Anteil an den Gnadengaben bekommen. Daran hat jeder den Maßstab, nach dem er sich einschätzen soll. 4 Denkt an den menschlichen Leib: Er bildet ein lebendiges Ganzes und hat doch viele Teile, und jeder Teil hat seine besondere Funktion. 5 So ist es auch mit uns: Als Menschen, die zu Christus gehören, bilden wir alle ein unteilbares Ganzes; aber als Einzelne stehen wir zueinander wie Teile mit ihrer besonderen Funktion. 6 Wir haben ganz verschiedene Gaben, so wie Gott sie uns in seiner Gnade zugeteilt hat. Einige sind befähigt, Weisungen für die Gemeinde von Gott zu empfangen; was sie sagen, muss dem gemeinsamen Bekenntnis entsprechen. 7 Andere sind befähigt, praktische Aufgaben in der Gemeinde zu übernehmen; sie sollen sich treu diesen Aufgaben widmen. (…) Übersetzung: Gute Nachricht
Fast immer treffe ich bei meinem Besuch im Pflegeheim die Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes. Das ist praktisch, sie kennt alle Bewohner und Bewohnerinnen. Neulich sprachen wir über ihre Dienstzeiten. Sie sagte: „Einen Tag in der Woche bleibe ich eine Stunde länger. Das mache ich ehrenamtlich. Dann gehe ich zu denen, für die ich sonst wenig Zeit habe.“
Anderer Ort: In einer Familie pflegt eine Tochter aufopferungsvoll ihre Mutter. Immer mal wieder benötigt sie auch nachts einen Arzt. Sie erzählt, dass der Hausarzt eigentlich schon im Ruhestand ist. Doch kommt er immer noch: „Ich kenne die Mutter seit mehr als 40 Jahren. Da ist eine Beziehung gewachsen“, sagt er.
Die stillen Heldinnen und Helden
Im vorigen Jahr haben wir die stillen „Heldinnen und Helden des Alltags“ entdeckt. Die Menschen, deren Arbeit wir meistens als selbstverständlich ansehen. Ohne die aber vieles zusammenbräche.
An sie habe ich bei diesen Paulusworten gedacht. „Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung!“, ruft er. Oft ist es gar nicht so schwer, das Gott Wohlgefällige zu tun. Manchmal ist es einfach das Naheliegende; das, was mir nahegeht. So viele tun das, ohne großes Aufheben darum zu machen.
Paulus wusste das sicher auch. Und doch mahnt er die junge Gemeinde in Rom, sogar jeden Einzelnen, sich von Gott umwandeln zu lassen. Dem Leben ein neues Selbstverständnis zu geben. „Jeder hat etwas, was ihn antreibt“, ist die Werbung einer Bankengruppe. Um diese innere Motivation geht es Paulus. Er weiß aus eigenem Erleben, was Erneuerung des Denkens bedeutet. Er ist nicht mehr der schnaubende Christenverfolger (Apostelgeschichte 9,1), sondern der christliche Apostel, der die Liebe als die höchste Gottesgabe lobt (1. Korinther 13). Vom strengen Dogmatiker ist er zum Verkünder der Gnade geworden.
Deshalb sind seine Mahnungen nicht die Forderungen eines Moralpredigers, sondern Ausdruck einer Liebe, die es gut mit den Menschen meint. Einer Liebe, die möchte, dass das Leben gelingt. Ausdruck einer Liebe, die er selbst erfahren hat und weitergibt.
Diese Liebe soll im Leben jedes Einzelnen und im Kreis der Gemeinde ihren sichtbaren Ausdruck finden. Die Gemeinde in Rom war sicher so bunt und vielfältig, wie es heutige Gemeinden auch sind. Deshalb braucht es ein Selbstverständnis, in dem sich alle wiederfinden, das alle einbindet. Das Bild vom Körper mit seinen vielfältigen Organen legt sich nahe. Ein Bild, das sich einprägt und leicht erinnert werden kann. Eine jede, ein jeder kann mit seinen und ihren Gaben dazu beitragen, das Gute und Wohltuende zu suchen und zu tun. Paulus fordert ausdrücklich auf, zu prüfen, was Gott will, was wirklich gut ist. Im Hören, im Handeln, im Beten, im Gespräch, einzeln und in der Gemeinschaft kann das geschehen. Das nennt Paulus einen vernünftigen Gottesdienst.
Gottesdienst feiern wir nicht nur sonntags in der Kirche. Das ist tröstlich in diesen Tagen, an denen die Kirchen sonntags für Gottesdienste geschlossen bleiben. Denn: Täglich können wir bitten und danken, bekennen und loben, hören und beten. Vielleicht entdecken wir so noch ganz andere Gaben, die Gott uns geschenkt hat. Vielleicht werden wir damit sogar zu Heldinnen und Helden des Alltags.