Während die meisten Menschen sich auf die bevorstehenden Feiertage freuen, bereiten sich die Notaufnahmen in Hamburg auf den jährlichen Ansturm vor. An Weihnachten und Silvester werden in der Notaufnahme der Schön Klinik Hamburg-Eilbek täglich 30 bis 40 Menschen mehr als an anderen Tagen behandelt, sagt die Chefärztin des Zentrums für Notfall- und Akutmedizin, Gabriele Groth, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Besonders die zunehmenden Drogenexzesse an Silvester machen ihr Sorgen.
epd: Frau Groth, für Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Notaufnahmen gibt es vermutlich an Weihnachten und Silvester wenig zu feiern?
Gabriele Groth: Für uns sind das sehr herausfordernde Tage. Es kommen täglich 30 bis 40 Menschen mehr in die Notaufnahme. Trotzdem versuchen wir, zwischendurch in einer ruhigeren Phase zusammen zu essen. An Silvester stellen wir uns, wenn es zeitlich möglich ist, um Mitternacht in den Rosengarten im Innenhof und beobachten das Feuerwerk. Der Ansturm auf die Notaufnahme kommt ja meistens erst eine Stunde später.
epd: Verletzungen durch Böller sind nach wie vor ein großes Thema?
Groth: Absolut. An Weihnachten kommen viele Menschen mit Magenverstimmungen oder mit Verbrennungen zu uns. Nicht jeder verträgt den üppigen Braten, und echte Kerzen am Baum sind eine Gefahrenquelle. An Silvester registrieren wir dagegen viele chirurgische Einsätze. Die Anzahl hängt oft mit der Qualität der Böller zusammen, die gerade auf dem Markt sind. Das merken wir schon einige Tage vorher, wenn die Böller in den Verkauf gehen. Behandeln wir vor dem Jahreswechsel bereits viele Böllerverletzungen, stocken wir den Dienstplan zu Silvester entsprechend auf. Am 1. Januar kommen dann die Feierwütigen hinzu, die auf den Partys zu viele Drogen genommen haben.
epd: Sehen Sie da eine Veränderung gegenüber den vergangenen Jahren?
Groth: Früher hatten wir „nur“ diejenigen mit Alkoholvergiftung. Inzwischen sehen wir die ganze Bandbreite. Neben Alkohol sind Cannabis und Kokain sehr beliebt. Und zwar in allen gesellschaftlichen Schichten. Wir sprechen hier von Drogenexzessen, die sich weit über 1,6 Promille bewegen. Manche merken erst am nächsten Tag, dass sie sich einen Finger weggeböllert haben. Das ist wirklich schlimm.
epd: Was bedeutet das für Sie und Ihr Team, so zugedröhnte Patienten zu behandeln?
Groth: Mit dem Konsum von Drogen sinkt die Hemmschwelle. Die Leute ziehen sich aus, schreien uns an, wenn sie aus ihrer Sicht zu lange warten müssen. Manche kommen sogar in die Reanimationsräume, in denen wir gerade Notfälle behandeln. Sie greifen uns auch körperlich an. Kürzlich hat ein Patient mit einem Motorradhelm nach mir geworfen. Bis zu einem gewissen Grad sind wir das gewohnt, aber Gewalt in Krankenhäusern nimmt in großen Städten wie Hamburg zu. Ab 2025 bieten wir all unseren Beschäftigten Selbstverteidigungskurse an. Wir müssen uns schützen.
epd: Reißt Ihnen manchmal der Geduldsfaden? Sie haben ja vermutlich auch „Stammkunden“, die regelmäßig kommen.
Groth: Manche kommen sogar täglich in die Notaufnahme, zum Ausnüchtern zum Beispiel. Wir haben uns schon eine gewisse Resistenz erarbeitet. Wenn ich an Silvester aber zum zehnten Mal Erbrochenes aufwische, muss ich auch aufpassen, dass meine Stimmung nicht kippt. Da ist Team-Building ganz wichtig und das bekommen wir gut hin. Ich mache den Job seit mehr als 30 Jahren und ich bereue keine einzige Feiertagsschicht, weil ich immer ein tolles Team hatte.
epd: Welche Tipps haben Sie für die Feiertage? Was können Menschen zu Hause kurieren, wann sollte jemand in die Notaufnahme?
Groth: Wenn man sich an Heiligabend am Gänsebraten überfuttert, kann man sich vielleicht erstmal mit der Wärmflasche aufs Sofa legen und abwarten. Hat man ein Gläschen zu viel getrunken, kann man sich auch erstmal zu Hause übergeben. Verbrennungen sollte man immer sofort behandeln lassen. Und natürlich kann man immer zu uns kommen, wenn man unsicher ist. Aber Wartezeiten sollte man einkalkulieren. Schwerkranke gehen nunmal vor.