Susanne Wolff ist 65 Jahre alt und kann nicht mehr alleine das Haus verlassen. Als sie im Frühjahr auch noch einen Brief ihres Vermieters erhielt, der mit der fristlosen Kündigung drohte, wurde klar: Sie braucht Hilfe. „Irgendwann war alles zu viel und es ging gar nichts mehr“, sagte Wolff. Unterstützung fand sie bei Q+Alter, einem Projekt der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Mitarbeiterin Sophia Teske kam vorbei, gemeinsam suchten sie nach praktischen Lösungen für Wolffs Alltag.
Kein Einzelfall: „Unsere Gesellschaft steht vor der Herausforderung, dass wir immer älter werden“, erklärt Projektleiterin Franziska Leidreiter. „Wir haben den Anspruch, dass Menschen gut versorgt sind und auch so leben können, wie sie das wollen.“ Q+Alter ist in den Hamburger Bezirken Eimsbüttel, Nord, Wandsbek und Bergedorf aktiv. Sogenannte Lotsinnen und Lotsen helfen Menschen ab 65 Jahren, ein Unterstützungsnetzwerk für den Alltag aufzubauen. In der persönlichen oder telefonischen Beratung sei jedes Thema ansprechbar. „Unsere Lotsinnen und Lotsen sind Generalisten. Sie schauen gemeinsam mit dem Menschen, wie es weitergehen kann“, sagt Leidreiter.
Ältere Menschen melden sich unter anderem, wenn sie Probleme damit haben, alleine einkaufen zu gehen, wenn sie Anträge stellen müssen oder sich einsam fühlen. Die Lotsinnen und Lotsen verabreden einen oder mehrere Gesprächstermine. Ziel sei, passende und dauerhafte Unterstützungsstrukturen zu schaffen. „Im Idealfall fühlt sich der Mensch danach gut unterstützt“, sagt Lotsin Teske. Die 37-Jährige arbeitet seit rund einem halben Jahr bei Q+Alter. Ihr Arbeitsalltag sei sehr vielfältig. „Ich kann gar nicht sagen, dass ich einen klassischen Arbeitstag habe. Ich mache telefonische Beratungen, suche die Menschen aber auch in ihrem Zuhause auf, wenn sie einen Hausbesuch wünschen.“
Ein großes Thema sei die Vernetzung älterer Menschen in ihren Nachbarschaften. Es gebe nicht nur Kontakte zu Pflegediensten, sondern auch zu Nachbarschaftshilfen und Seniorentreffs in den Stadtteilen. „Wir haben die Funktion, ältere Menschen auf Ressourcen und Angebote aufmerksam zu machen“, erklärte Teske. Bei nachbarschaftlichen Hilfsangeboten, wenn etwa der Nachbar eines älteren Menschen anbietet, Einkäufe zu übernehmen, werde auch immer darüber gesprochen, wie die beratene Person etwas zurückgeben könne. Teske: „So soll das Selbstwertgefühl der Menschen gestärkt werden.“
Mit Susanne Wolff verabredete Teske im Frühjahr den ersten Hausbesuch, angesichts der drohenden Kündigung konnte sie die 65-Jährige schnell beruhigen. Die Drohung des Vermieters sei nicht rechtens gewesen. Gemeinsam widmeten sie sich den angesammelten Unterlagen und suchten nach Lösungen für den schwierig gewordenen Alltag. Wolff konnte nicht mehr einkaufen gehen oder den Müll herunterbringen. Mithilfe der Lotsin erhielt Wolff schließlich einen Pflegegrad und Unterstützung durch einen Pflegedienst.
Einige Monate später sitzen beide Frauen wieder zusammen. Wolff kritisiert die langen Bearbeitungszeiten der Behörde. Ältere Menschen in Notlagen bräuchten schnelle, unbürokratische Hilfe: „Ich finde es unmöglich, dass alte, kranke und hilflose Menschen in so eine Situation gebracht werden. Und ich bin ja nicht die Einzige“, sagte sie. Fürs Erste sei sie aber nun versorgt. Bei erneuten Problemen sei Teske nur einen Anruf entfernt. Wolff gibt ihr zum Abschied die Hand: „Wenn ich ein Segelboot hätte, wären sie immer meine Lotsin.“