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Große Unterschiede bei Versorgungsqualität im Pflegeheim

Bei der Versorgung von Menschen in Pflegeheimen gibt es nach einer Studie große regionale Qualitätsunterschiede. Das zeige sich etwa bei der Arzneimittelversorgung, fehlender Vorbeugung und vermeidbaren Klinikaufenthalten, teilte der AOK-Bundesverband am Dienstag in Berlin mit. Patientenschützer kritisierten insbesondere die Gabe von zu vielen Psychopharmaka an Pflegebedürftige.

Laut Pflege-Report der AOK lag der Anteil der Pflegebedürftigen im Heim, die 2021 eine problematische Dauerverordnung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln erhielt, im Viertel der Regionen mit den besten Ergebnissen bei maximal 4,7 Prozent, während im Viertel der Regionen mit den schlechtesten Ergebnissen mindestens 9,9 Prozent betroffen waren. Die Krankenkasse präsentierte die Daten in einem neuen Qualitätsatlas Pflege, der solche Entwicklungen kleinräumig sichtbar machen und den Verantwortlichen dabei helfen soll, regionale Auffälligkeiten zu erkennen.

In den westlichen Bundesländern kommen die risikoreichen Dauerverordnungen deutlich häufiger vor als im Osten. Problematische Dauerverordnungen fänden sich unter anderem im gesamten Saarland sowie in NRW, wo 45 der 53 Kreise und kreisfreien Städte auffällige Ergebnisse aufweisen.

“Eigentlich sollten pflegebedürftige Menschen maximal vier Wochen mit den untersuchten Schlaf- und Beruhigungsmitteln behandelt werden. Denn bei Dauereinnahme drohen unter anderem Abhängigkeit, erhöhte Sturzgefahr und die Entstehung von Angstgefühlen, Depressionen und Aggressionen”, betont Antje Schwinger vom Wissenschaftlichen Institut der AOK.

Deutliche regionale Unterschiede zeigten sich auch bei Krankenhauseinweisungen: So hatten bundesweit knapp 4 Prozent aller an Demenz erkrankten Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen 2021 einen Krankenhausaufenthalt wegen unzureichender Flüssigkeitszufuhr. In den 20 Kreisen mit den auffälligsten Werten waren es dagegen zwischen 7,5 und 12,5 Prozent. Auffällige Kreise finden sich in Bayern, Niedersachsen, im Süden von Rheinland-Pfalz sowie in NRW.

Positive Entwicklungen sieht die Studie etwa bei vielfach unnötigen Krankenhaus-Aufenthalten von Pflegeheim-Bewohnern am Lebensende. So sank der Anteil der Menschen, die in ihren letzten 30 Lebenstagen in einem Krankenhaus lagen, von bundesweit 47 Prozent 2017 auf 42 Prozent 2021.

Auch bei diesem Thema waren große regionale Unterschiede zu verzeichnen. Spitzenreiter ist das Saarland mit einem Anteil von 49,5 Prozent 2021 (2017: 55 Prozent), am anderen Ende der Skala liegt Sachsen mit 36 Prozent (2017: 43 Prozent).

Aus der Sicht des Deutschen Pflegerats zeigen die Daten erneut, dass eine bessere Zusammenarbeit zwischen Pflegenden, Ärzten und anderen Heilberufen notwendig ist. “Die Zusammenarbeit zwischen der Profession Pflege, den Ärzten und Kliniken muss auf Augenhöhe neu strukturiert werden”, forderte Pflegerats-Präsidentin Christine Vogler in Berlin.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte Bund und Länder auf, die dauerhafte Gabe von Beruhigungs- und Schlafmitteln zur Ruhigstellung von Pflegebedürftigen einzudämmen. “Obwohl davon hunderttausende Menschen betroffen sind, bleibt der Aufschrei aus”, sagte Vorstand Eugen Brysch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. “Transparenz ist die Voraussetzung für einen Rückgang der ruhigstellenden Medikamente.”

Brysch lobte, dass der Einsatz von Bettgittern oder Fixierungen von kranken und pflegebedürftigen Menschen zurückgegangen sei. Dazu hätten breit angelegte Kampagnen der Länder und Pflegeheimbetreiber beigetragen. “Doch anscheinend wurde hier der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.”

Als nicht überraschend bezeichnete Brysch die weiterhin hohe Quote der Krankenhauseinweisungen von Pflegeheimbewohnern am Lebensende. “Anders als bei Hospizen, die rund 10.000 Euro monatlich von den Sozialkassen erhalten, gibt es für Sterbende in der stationären Langzeitpflege keine zusätzlichen Mittel für die Hospiz- und Palliativarbeit”, kritisierte er. So sei das dringend notwendige, zusätzliche Personal für die Sterbebegleitung nicht zu bezahlen, mahnte Brysch.