Berlin (epd). "Obama kommt zum Kirchentag": Die Schlagzeile ließ am 11. April aufhorchen. Seitdem ist klar: Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag im Jahr des 500. Reformationsjubiläums wird ein Ereignis der Superlative. 100.000 Dauerteilnehmer werden vom 24. bis 28. Mai in Berlin und Wittenberg erwartet. 2.100 Veranstaltungen sind geplant. Dazu gibt es sechs regionale "Kirchentage auf dem Weg" in Mitteldeutschland. Und zum großen Abschlussgottesdienst in Wittenberg, der zugleich die zentrale Feier im Reformationsjubiläumsjahr ist, wird auch eine sechsstellige Besucherzahl erwartet.
Zukunft Europas
So wird der Kirchentag eine Herausforderung für die Deutsche Bahn, die Sonderzüge pendeln lassen wird, und in Zeiten von Terrorgefahr auch für die Sicherheitsbehörden – nicht nur, was die Diskussion zwischen dem früheren US-Präsidenten Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Himmelfahrtstag am Brandenburger Tor betrifft. Der prominente Auftritt mitten im Bundestagswahlkampf wird auch argwöhnisch betrachtet. Manch einer fragt sich, was Barack Obama mit der protestantischen deutschen Laienbewegung zu tun hat.
Vielleicht spannt eben das Reformationsjubiläum den Bogen: Martin Luther, der mit seiner Kritik an der römischen Kirche langfristige gesellschaftliche Veränderungen anstieß, steht für einen Wandel, den viele 2009 auch mit dem Amtsantritt Obamas verbanden. In jedem Fall steht der Besuch für die bewegten Zeiten, in denen der Kirchentag in diesem Jahr stattfindet.
Vier Monate vor der Bundestagswahl am 24. September wird es in Diskussionen um die Zukunft Europas, internationale Konflikte, gesellschaftlichen Zusammenhalt, Rechtspopulismus und das Miteinander der Religionen gehen. Wie schon beim Kirchentag 2015 in Stuttgart werden auch die Flüchtlinge wieder ein bestimmendes Thema, nicht nur bei einer Schweigeminute für die Toten im Mittelmeer, bei der alle Kirchentagsveranstaltungen am Freitagmittag kurz innehalten sollen.
Der Hauptteil der Veranstaltungen in Berlin wird auf dem Messegelände am Funkturm stattfinden. Zu Diskussionen erwartet werden Spitzenpolitiker: Neben Obama und Merkel stellen sich unter anderen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, mehrere Bundesminister und Ministerpräsidenten Fragen von Moderatoren und Kirchentagsteilnehmern.
Parallel zum Obama-Besuch
Redner kommen natürlich auch aus den Kirchen selbst wie der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und Reformationsbotschafterin Margot Käßmann, deren Veranstaltungen in der Vergangenheit zu den Publikumsmagneten gehörten. Als Prediger für den Abschlussgottesdienst in Wittenberg wird der Bischof der anglikanischen Kirche in Südafrika, Thabo Makgoba, erwartet. Dazu kommt ein Kulturprogramm mit Konzerten von Popstar Max Giesinger und – ein Klassiker auf Kirchentagen – den "Wise Guys".
Überschrieben mit dem Leitwort "Du siehst mich" hat der inzwischen 36. Deutsche Evangelische Kirchentag angekündigt, insbesondere im religiös differenten Berlin auch den Dialog mit denen zu suchen, die über Kreuz liegen mit der Mehrheit der evangelischen Basisbewegung. Auf dem Programm stehen so auch Diskussionen mit Vertretern des Humanistischen Verbands. "Streiten mit protestantischem Selbstverständnis", stellte Christina Aus der Au in Aussicht. Die Schweizer Theologin steht als Präsidentin in diesem Jahr an der Spitze des Kirchentags.
Umstritten war die Entscheidung der Veranstalter, anders als der Katholikentag im vergangenen Jahr Vertreter der AfD nicht grundsätzlich von der Bühne fernzuhalten. Der Berliner Bischof Markus Dröge und die Publizistin Liane Bednarz werden mit Anette Schultner von der Vereinigung "Christen in der AfD" diskutieren. Wie groß die Aufmerksamkeit für die bereits im Vorfeld viel diskutierte Veranstaltung am Ende sein wird, erscheint aber fraglich: Sie liegt am 25. Mai parallel zum Auftritt von Obama und Merkel am Brandenburger Tor.