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Göring-Eckardt: Kirche muss über das richtige Streiten streiten

Nach dem Rücktritt der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, kann die Kirche nach den Worten Katrin Göring-Eckardts (Grüne) nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Mit dem Rücktritt werde die Rede- und Gesprächskultur der Kirche selbst zum Streitgegenstand, sagte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und ehemalige Präses der EKD-Synode am Freitagabend in Kassel beim Adventsempfang der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW).

Mehr zu reden und sich kritischen Nachfragen stellen hätte bereits zuvor gut getan, mahnte Göring-Eckardt, die digital zugeschaltet war. Opfer sexualisierter Gewalt müssten Gehör finden. Über das rechte Streiten in der Kirche müsse gestritten werden. Die Streitkultur der Kirche sei oft zu lethargisch, dabei gebe es genügend Stoff für Zoff, genügend Themen, bei denen man nicht derselben Meinung sein könne. Sie führte als Beispiel den Streit um Krieg, Frieden und Waffenlieferungen an. „Als Kirche ein Ort des richtig guten Streitens zu sein, das könnte stilprägend sein“, führte sie aus. „Die Menschen wollen, ob Kirchenmitglied oder nicht, dass Kirche auch kontroverse Themen anspricht und sich einmischt.“

Mit Blick auf die Parlamente sagte Göring-Eckardt: Wer in einer Demokratie leben wolle, müsse mit Streit leben. „Demokratie ist, wenn der Streit ausgetragen wird, mit Respekt natürlich und ohne Gewalt“, so die Bundestagsvizepräsidentin. Wo kein Streit sei, könne letztlich auch keine Demokratie sein. Das Parlament sei das Schaufenster des demokratischen Streites, Politiker und Politikerinnen könnten in ihrem Streiten zu Vorbilder werden.

Mit Blick auf die aktuelle Debatte um Flüchtlinge sagte Göring-Eckardt, sie fürchte, „wir kommen keinen Schritt weiter, wenn wir so streiten wie gerade, in einem Brei aus Besorgnissen und zurecht genannten Schwierigkeiten“. Gegen populistische Rattenfänger helfe es nicht, den politischen Streit schamhaft zu verstecken oder staatstragend zu überspielen, sondern Demokratie mit Leben zu füllen und dem Streit Raum und Zeit, Rahmen und Regeln zu geben.

Zudem bedauerte Göring-Eckardt, dass der Streit in den sozialen Medien unkultivierter, der Umgangston rauer und die Stimmung gereizter werde. Hass im Netz sei bittere Realität. Hatespeech sei kein Streit, sondern verhindere ihn, ebenso wie Debatten und Meinungsbildung. Sie stelle Menschen statt Argumente infrage. Sie mahnte, das Netz sei kein rechtsfreier Raum, und forderte klare Regeln und konsequentes Vorgehen gegen Hasskommentare.