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Gniffke: Rückzug einzelner Länder wird ESC nicht aus der Bahn werfen

Der angekündigte Boykott des Eurovision Song Contests (ESC) 2026 in Wien durch mehrere Länder im Streit um die Teilnahme Israels wird nach Überzeugung des in Deutschland federführenden Südwestrundfunks (SWR) nicht zu einer finanziellen Mehrbelastung für die anderen Sender führen. Intendant Kai Gniffke bezeichnete am Freitag bei der SWR-Rundfunkratssitzung in Mainz das Votum der Europäischen Rundfunkunion (EBU) für die Regularien des Wettbewerbs als gute Nachricht. Dass die Rundfunkanstalten mehrerer Staaten, darunter mit Spanien auch eines der Hauptgeldgeber des Festivals, ihren Rückzug erklärt hatten, sei bedauerlich. „Das ist deren gutes Recht“, sagte Gniffke. „Es wird ja niemand zur Teilnahme gezwungen, aber es wird uns nicht aus der Bahn werfen.“

Clemens Bratzler, Programmdirektor Information, Sport, Fiktion, Service und Unterhaltung beim SWR, erwartet keine massiven Probleme für die verbleibenden Organisatoren. „Für uns ergibt sich daraus keine wesentliche Mehrbelastung“, sagte er. Kritisch würde die Lage nur dann, wenn so viele Staaten aus dem Wettbewerb aussteigen sollten, dass nicht mehr zwei Halbfinal-Sendungen stattfinden könnten. „Darauf deutet momentan nichts hin.“

Am Donnerstag hatten die EBU-Mitglieder in Genf beschlossen, dass Israel am ESC-Wettbewerb in Wien teilnehmen darf. Neben Spanien reagierten darauf auch Irland, die Niederlande und Slowenien unter Verweis auf den Gaza-Krieg mit ihrem Rückzug. Spanien gehört – wie Deutschland – zu den sogenannten Big-Five-Ländern, die finanziell viel zum ESC beitragen und sich nicht im Halbfinale qualifizieren müssen. Die spanische Rundfunkanstalt RTVE hatte erklärt, die Lage in Gaza und „die Nutzung des Wettbewerbs für politische Zwecke durch Israel“ machten es immer schwieriger, den ESC als neutrales kulturelles Ereignis aufrechtzuerhalten.

In seinem Bericht vor dem Rundfunkrat versprach Gniffke den Gremienmitgliedern, Kernaufgabe des SWR bleibe die Wahrung journalistischer Standards. Dazu gehöre auch Themen aus unterschiedlichen Perspektiven darzustellen. Vorrang vor der Präsentation verschiedener Meinungen habe dabei, die Fakten zu klären. Der Sender solle dabei „niemals so tun, als wisse man es besser als die anderen.“

„Das gilt ganz besonders in Wahlkampfzeiten“, sagte Gniffke mit Blick auf die 2026 anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Alle Personen, die sich im Wahlkampf in der Öffentlichkeit darstellen, müssten mit Respekt behandelt werden, forderte er: „Ich sage ausdrücklich: Alle werden fair behandelt.“

Mit Bedauern konstatierte der Rundfunkrat, dass die Anfeindungen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mittlerweile auch auf Gremienmitglieder übergegriffen hätten. Derya Sahal, die von den muslimischen Verbänden aus Baden-Württemberg in den Rundfunkrat entsandt worden war, schilderte zahlreiche Hasszuschriften, deren Verfasser sie beispielsweise als „Schleiereule“ beschimpften und fragten, wann sie endlich „remigriert“ werde. Ihr werde vorgeworfen, die „Islamisierung“ des Rundfunks anzustreben.