Zum dritten Mal war die Evangelische Kirche Berlin mit einem eigenen Wagen auf der Parade des Christopher Street Day dabei. Bei den Teilnehmenden kam das Engagement der Kirche gut an
Von Nora Tschepe-Wiesinger
Marten steht zwischen einem Mann in regenbogenfarbener Unterhose und einer Frau mit goldenen Engelsflügeln auf dem vollen Kurfürstendamm in Berlin-Charlottenburg. Hier soll der Demonstrationszug zum 41. Christopher Street Day (CSD) losgehen, doch bisher stehen die bunten Trucks und Wagen still. Unsicher schaut Marten zu seinen Eltern, die in ihrem weißen T-Shirt und der blau-rot-geblümten Bluse unauffällig, fast spießig wirken in der bunten Masse an Menschen. Birgitta und Petra sind seit 33 Jahren ein Paar. 1986 haben sie sich in der Krankenpflegeausbildung kennengelernt, seit 2001 sind sie als eingetragene Lebenspartnerinnen offiziell verpartnert. 2006 wurde Marten geboren, heute ist er 13 Jahre alt, es ist sein vierter CSD. Zum ersten Mal wird er mit seinen Müttern auf einem Wagen mitfahren.Aber noch ist kein Einlass. Es ist heiß, die Sonne knallt vom blauen Himmel, immer mehr Menschen finden sich vor dem gold-weißen Wagen ein. Eine Frau in goldener Latexleggins und Heiligenschein verteilt Glitzer. „Bekomme ich auch etwas?“, fragt Birgitta. „Na klar“, lacht der Engel und glitzert Martens Mutter ein.
„Liebe tut der Seele gut“ ist das Motto, unter dem die evangelische Kirche zum dritten Mal mit einem eigenen Truck an dem Demonstrationszug für die Rechte von Lesben, Schwulen, Transsexuellen, Transgendern, Inter- und Bisexuellen teilnimmt. Berlins Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein, die Schirmherrin des Wagens, hatte im Vorfeld betont, dass die Kirche sich mit dem Wagen an die Seite der queeren Community stelle. „Es geht um die Grundrechte aller Menschen, und daher gehört unsere Kirche selbstverständlich auf den CSD.“ Selbstverständlich finden einige der Zuschauerinnen und Zuschauer den gold-weißen Kirchenwagen auf dem CSD nicht, aber zeigen sich durchweg positiv überrascht. „Das Motto ist toll, um auf das Thema Seelische Gesundheit hinzuweisen. Wir könnten das theoretisch auf jeden Arztbrief schreiben“, sagt Mazda Ali, Psychiater, Stressforscher und Chefarzt der Fiedner Klinik Berlin. Zusammen mit einigen seiner Kolleginnen und Kollegen fährt er genau wie Marten und seine Familie auf dem Wagen der evangelischen Kirche mit.Als die Wartenden endlich auf den Wagen gelassen werden, ist es fast schon 14 Uhr. Geplant war eine Abfahrt um 12 Uhr. Macht nichts, es gibt kühlen Sekt und endlich fängt auch der DJ an zu spielen: Techno – wie es in Berlin üblich ist. „Schade“, sagt Birgitta. Sie habe sich etwas buntere Musik zum Mitsingen gewünscht. Marten hat trotzdem Spaß und spritzt mit einer Wasserpistole vom Deck des Wagens die Zuschauerinnen und Zuschauer ab. Die freuen sich über die Abkühlung. Es sei toll, dass ihr Sohn auf dem CSD erlebe, dass es mehr Menschen wie Birgitta und Petra gebe, dass gleichgeschlechtliche Paare und Regenbogenfamilien auf der Straße sichtbar würden. Denn im Alltag sei dies leider längst noch keine Selbstverständlichkeit. Petra erzählt von einem Urlaub, in dem sie zu dritt kein Familienticket verkauft bekommen hätten, weil der zuständige Mitarbeiter sie partout nicht als Familie akzeptieren wollte.Als der Wagen die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche erreicht, ändert sich endlich auch die Musik. „Sing Halleluja“, tönt es aus den Boxen des Trucks. Auf und um den Wagen wird getanzt, gesungen, geknutscht, gelacht. Ein Regenbogenmeer, der gold-weiße Wagen der Kirche mittendrin. Wenn Kirche so ist, offen, divers, vielfältig und mitten unter den Leuten, dann mache sie alles richtig, sagt Theresa Brückner. Die Pfarrerin aus Berlin-Tempelhof, die in den sozialen Netzwerken über ihre Arbeit und ihren Glauben bloggt, ist auch beim CSD dabei.„Wenn die Kirche sich nicht geöffnet hätte für die Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren, wären wir nicht auf dem Wagen dabei“, sagt Petra. Zwar seien sie und Birgitta nicht kirchlich verheiratet, aber wüssten das Engagement der Kirche für homosexuelle Paare zu schätzen. Die Ehe und die kirchliche Trauung für alle, die seit 2016 in der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz möglich sind, seien ein großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung. Erst vor zwei Wochen haben Petra und Birgitta sich noch einmal auf dem Standesamt das Jawort gegeben. In einer Woche feiern sie Hochzeit mit denselben Gästen wie vor 18 Jahren bei ihrer Verpartnerung. „Für uns ist das eine weitere Anerkennung unserer Liebe“, sagt Petra.