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Giganten des Ökosystems: Bundeskunsthalle befasst sich mit Böden

Böden werden oft missachtet. Doch die dünne Erdschicht unter unseren Füßen ist extrem wichtig für das Leben auf dem Globus. Die Bundeskunsthalle wirbt für ihren Erhalt und ihre Renaturierung.

Der sprechende Erdhaufen klingt ziemlich vorwurfsvoll. “Ich kann nicht mehr atmen”, schleudert er den Besuchern der Bundeskunsthalle in Bonn entgegen. “Ihr habt mich in einem Mülleimer verwandelt.” Und: “Ihr trampelt auf mir rum.”

Die Ausstellung “Save Land. United for Land” möchte das ändern. Von Freitag bis zum 1. Juni wollen die Bonner Ausstellungsmacher auf die schleichende Verschlechterung von Böden und Landflächen weltweit aufmerksam machen und den Schutz der Böden stärker ins Bewusstsein rücken. “Viele Menschen haben kaum noch Bezug zum Boden”, sagt Wagaki Wischnewski vom Sekretariat der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in Bonn, das die Ausstellung mitgestaltet hat. Die Lebensmittel kämen für sie aus dem Supermarkt. Boden sei gleich Dreck.

Dabei sind Böden die heimlichen Giganten der Ökosysteme: Ein Gramm Erde kann eine Milliarde Mikroben enthalten. Die Böden beherbergen 59 Prozent des gesamten Artenreichtums. Dabei sind die Böden äußerst sensibel: Sie brauchen bis zu Hunderten von Jahren, um sich zu bilden. Doch ein extremes Ereignis genügt, um sie in Minutenschnelle zu zerstören.

Funktionierende Böden seien die Grundlage menschlicher Existenz, zeigt die Ausstellung. Sie schaffen – fast umsonst – Umweltgüter wie sauberes Wasser, Kohlenstoffabbau und biologische Vielfalt. Diese Leistungen müssten eigentlich in die Berechnung des Bruttosozialprodukts aufgenommen werden, damit eine grüne Wirtschaft entstehen könne, betont Ausstellungskuratorin Henriette Pleiger. “Was wir unter unseren Füßen haben, ist von existenzieller Bedeutung für das Leben auf der Erde.”

Um so erschreckender der aktuelle Umgang der Menschen mit der dünnen Haut des Planeten Erde: Jedes Jahr werden weltweit100 Millionen Hektar gesunder Böden vernichtet – eine Fläche, die etwa dreimal so groß ist wie Deutschland. Bis zu 40 Prozent der weltweiten Landfläche gelten bereits heute als verödet – durch Schadstoffe und Abfälle, Versiegelung oder Übernutzung.

Die Intendantin der Bundeskunsthalle, Eva Kraus, will jedoch keine Horrorgeschichte erzählen. “Save Land” will “die Herzen der Besucher erreichen” und zum Handeln für eine Renaturierung der Böden ermutigen – und dafür nicht nur die Wissenschaft, sondern auch Kunst und Kultur sprechen lassen.

Beispielsweise durch das Video “Planet City” des Künstlers Liam Young, der in einer radikalen Utopie vorschlägt, dass sich alle mehr als 8 Milliarden Menschen in eine einzige, extrem dichte Metropole zurückziehen, die nur einen Bruchteil der Erdoberfläche ausmacht, so dass der Rest des Planeten wieder ökologisch gesunden kann.

Wie sorgfältig und liebevoll die Menschen mit der Natur umgehen können, zeigen etwa die “Holzbibliotheken” des Benediktinermönchs Candid Huber (1747-1813), der circa 150 Holzmusterbücher mitsamt den dazu gehörigen Blättern, Blüten, Früchten und Insekten schuf – seine in München aufbewahrte Sammlung ist Zeuge einer früher vorhandenen Artenvielfalt und enthält in Deutschland selten gewordene Holzpflanzen wie den Mehlbaum, die Glatte Ulme oder die Elsbeere.

Ein Gegenstück ist eine riesige Metall-Spitze eines Ölsondenbohrers, die wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Besucher schwebt und als Symbol für menschliche Gier, die Ausbeutung der Erde und das Kohlenstoffzeitalter steht.

Die Ausstellung nutzt neueste Medientechnologie: Beispielsweise durch einen riesigen digitalen Globus, der auf Knopfdruck die Wälder und Grasländer, die Wüsten, das Ackerland oder die Feuchtgebiete auf der Erde sichtbar macht. Digitale und begehbare Bodenprojektionen zeigen den Stoffwechsel der Städte – etwa Ressourcenverbrauch und Abfallentsorgung. Ein Panorama-Kino feiert die Schönheit von Polarregionen, den Feuchtgebieten und Wüsten.

Die Ausstellung endet in einem “Take Action Raum” (Werde aktiv Raum). Damit die Renaturierung von Böden weltweit gelinge, müssten Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen zusammenarbeiten, heißt es. Besucher erhalten deshalb Empfehlungen, wie sie eine nachhaltige Landwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion oder einen ökologisch sensiblen Tourismus fördern können.